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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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wappnete sich für den nächsten, der, wusste er, jeden Augenblick kommen musste.
    »Ich kann nicht hierbleiben.«
    Sie legte geräuschvoll die Gabel auf den Teller. Sie war fertig.
    »Terry …«
    »Ich weiß, ich weiß. Aber es hat sich was Neues ergeben. Ich muss heute Abend rüberfahren.«
    »Was soll sich denn groß Neues ergeben haben? Der Fall wurde dir entzogen. Heute ist Sonntag. Da schauen die Leute Football und hetzen nicht durch die Gegend, um irgendwelche Mordfälle zu lösen, um deren Lösung sie niemand gebeten hat.«
    Sie deutete auf den Fernseher, der in der oberen Ecke des Raums befestigt war. Drei stiernackige Kommentatoren saßen mit einem Footballfeld im Hintergrund an einer Theke. McCaleb wusste, dass es im heutigen Spiel um die Teilnahme an der Super Bowl ging. Es ließ ihn total kalt, obwohl ihm plötzlich einfiel, dass er Raymond versprochen hatte, sich mindestens ein Spiel mit ihm anzusehen.
    »Ich bin gebeten worden, Graciela.«
    »Wie bitte? Du hast doch selbst gesagt, sie haben dir den Fall entzogen.«
    Er erzählte ihr von seiner Begegnung mit Bosch und worum dieser ihn gebeten hatte.
    »Das ist doch der Mann, von dem du Jaye Winston erzählt hast, dass er es wahrscheinlich war?«
    McCaleb nickte.
    »Woher wusste er, wo du wohnst?«
    »Das wusste er ja gar nicht. Er wusste nur von meinem Boot, aber nicht, wo ich wohne. Mach dir deswegen mal keine Sorgen.«
    »Ich mach mir aber welche. Terry, du gehst langsam wirklich zu weit und merkst überhaupt nicht, in welche Gefahren du dadurch dich und deine Familie bringst. Ich glaube –«
    »Wirklich? Ich glaube –«
    Er hielt inne und griff in seine Tasche, um zwei Quarter herauszuholen. Er wandte sich Raymond zu.
    »Bist du mit dem Essen fertig, Raymond?«
    »Klaro.«
    »Du meinst wohl ja?«
    »Ja.«
    »Da, hier hast du etwas Geld. Geh zu dem Spielautomaten neben der Bar und spiel ein bisschen.«
    Der Junge nahm die Münzen.
    »Du darfst aufstehen.«
    Zögernd rutschte Raymond von seinem Platz und trottete dann in den Raum nebenan, wo es mehrere Videospiele gab, die sie schon gelegentlich gespielt hatten. Er wählte ein Spiel, das, wie McCaleb wusste, PacMan war, und setzte sich. McCaleb hatte ihn weiter im Blick.
    McCaleb wandte sich wieder Graciela zu, die ihre Handtasche in ihren Schoß gehoben hatte und Geld herausnahm und es auf die Rechnung legte.
    »Graciela, lass das. Sieh mich an.«
    Sie nahm unbeirrt auch noch die restlichen Scheine heraus und steckte die Geldbörse in die Handtasche zurück. Erst dann sah sie ihn an.
    »Wir müssen los. CiCi muss ihren Mittagsschlaf machen.«
    Die Kleine war in ihrer Wippe auf dem Tisch und hielt mit einer Hand den blau-weißen Ball an dem Draht.
    »Das ist doch nicht nötig. Sie kann auch hier schlafen. Hör mir nur ganz kurz zu.«
    Er wartete und sie setzte eine nachgiebige Miene auf.
    »Meinetwegen. Sag, was du zu sagen hast. Aber dann muss ich los.«
    McCaleb beugte sich zu ihr vor, damit nur sie hören konnte, was er sagte. Er sah den Rand ihrer Ohrmuschel durch ihr Haar lugen.
    »Wir steuern auf eine große Krise zu, stimmt’s?«
    Graciela nickte und sofort liefen Tränen über ihre Wangen. Es war, als hätte er dadurch, dass er die Wörter laut ausgesprochen hatte, den schwachen innerlichen Verteidigungsmechanismus zerstört, den sie aufgebaut hatte, um sich und ihre Ehe zu schützen. McCaleb zog die unbenutzte Serviette unter seinem Besteck hervor und reichte sie ihr. Dann legte er ihr die Hand in den Nacken, zog sie zu sich heran und küsste sie auf die Wange. Über ihren Scheitel hinweg konnte er Raymond sehen, der sie mit besorgter Miene beobachtete.
    »Wir haben bereits darüber geredet, Graci«, begann er. »Du kommst einfach nicht mehr von dem Gedanken los, dass wir unser Zuhause und unsere Familie und alles andere nicht haben können, wenn ich das tue. Das Problem liegt bei dem Wort ›wenn‹. Hier ist der Fehler zu suchen. Dieses ›Wenn‹ gibt es nicht. Es heißt nämlich nicht, ›wenn ich das tue‹, sondern: Das tue ich. Und ich habe zu lange gedacht, es wäre anders; ich habe mir zu lange etwas vorgemacht.«
    Weitere Tränen kamen und sie hielt sich die Serviette ans Gesicht. Sie weinte ohne einen Laut, aber McCaleb war sicher, einige Gäste des Restaurants hatten es gemerkt und beobachteten sie statt des Fernsehers über ihnen. Er sah nach Raymond und stellte fest, dass der Junge sich wieder dem Videospiel zugewandt hatte.
    »Ich weiß«, brachte Graciela schließlich

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