Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Prado. Die anderen sind auf mehrere Museen verteilt. Allerdings bin ich in diesem Fall nicht der richtige Mann für Sie.«
McCaleb zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Nachdem sich Ihre Anfrage speziell auf Bosch richtet, sollten Sie vielleicht besser mit jemand anders sprechen. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin. Zufällig arbeitet sie gerade an einem kommentierten Werkverzeichnis über Bosch – eine ziemlich langwierige Angelegenheit, die sehr viel Idealismus erfordert.«
»Ist sie hier? Kann ich mit ihr sprechen?«
Scott griff nach dem Telefon und drückte auf den grünen Knopf. Dann zog er eine Liste mit Durchwahlnummern zu Rate, die daneben am Tisch befestigt war, und tippte drei Ziffern ein. Nach dem dritten Läuten meldete sich eine Frau.
»Lola Walter. Was kann ich für Sie tun?«
»Lola, hier ist Mr. Scott. Ist Penelope gerade in der Nähe?«
»Sie arbeitet heute Vormittag an der Hölle.«
»Ah, verstehe. Dann gehen wir am besten gleich in die Werkstatt.«
Scott legte auf und ging zur Tür.
»Sie haben Glück«, sagte er.
»Die Hölle?«, fragte McCaleb.
»Es ist das Gemälde aus Boschs Werkstatt. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Scott ging mit McCaleb zum Lift und sie fuhren eine Etage tiefer. Unterwegs erklärte Scott seinem Gast, dass das Museum eine der besten Restaurierungswerkstätten der Welt hatte. Deshalb wurden reparatur- und restaurierungsbedürftige Kunstwerke anderer Museen und Privatsammlungen häufig ins Getty geschickt. Im Moment wurde für einen Privatsammler gerade ein Gemälde restauriert, von dem man glaubte, dass es von einem Schüler Boschs oder aus seiner Werkstatt stammte. Das Gemälde hieß Die Hölle.
Die Restaurierungswerkstatt war ein großer Raum, der in zwei Hauptbereiche unterteilt war. In dem einen widmete man sich restaurierungsbedürftigen Rahmen. Der andere, in dem die Gemälde restauriert wurden, war in eine Reihe von Arbeitsnischen unterteilt, die sich entlang einer Glaswand mit derselben Aussicht befanden, die Scott in seinem Büro hatte.
McCaleb wurde in die zweite Nische geführt, wo eine Frau hinter einem Mann stand, der vor einer großen Staffelei mit einem Gemälde saß. Der Mann trug Hemd und Krawatte und darüber eine Schürze. Auf dem Kopf hatte er etwas, das wie eine Juwelierslupe aussah. Er beugte sich zu dem Gemälde vor und trug mit einem sehr feinen Pinsel silberne Farbe auf seine Oberfläche auf.
Weder der Mann noch die Frau blickte sich nach McCaleb und Scott um. Scott gab McCaleb mit erhobener Hand zu verstehen, er solle stehen bleiben, während der Mann den Pinselstrich zu Ende führte. McCaleb betrachtete das Bild. Es war etwa einen Meter zwanzig hoch und einen Meter achtzig breit. Inmitten einer dunklen Nachtlandschaft war ein brennendes Dorf zu sehen, dessen Bewohner von einer Vielzahl gespenstischer Phantasiegeschöpfe gefoltert und ermordet wurden. Der obere Teil des Gemäldes, den ein stürmischer Nachthimmel einnahm, war von kleinen Stellen übersät, an denen die Farbe fehlte oder sonstige Schädigungen aufgetreten waren. McCalebs Blick blieb auf einer Szene weiter unten haften, in der ein nackter Mann mit verbundenen Augen von einer Gruppe vogelartiger Gestalten mit Speeren gezwungen wurde, die Leiter zu einem Galgen hinaufzusteigen.
Als der Mann mit dem Pinsel fertig war, legte er den Pinsel auf die Glasplatte des Arbeitstisches links von ihm. Dann beugte er sich wieder zu dem Gemälde vor, um sein Werk zu begutachten. Scott räusperte sich. Nur die Frau drehte sich um.
»Penelope Fitzgerald, das ist Detective McCaleb. Er stellt Ermittlungen zu einem Fall an und möchte Sie Verschiedenes über Hieronymus Bosch fragen.«
Er deutete auf das Bild.
»Ich sagte ihm, Sie wären hier diejenige, die sich auf diesem Gebiet am besten auskennt.«
McCaleb beobachtete, wie die Augen der Frau Überraschung und Besorgnis zeigten, eine vollkommen normale Reaktion auf eine unvermutete Konfrontation mit der Polizei. Der Mann mit der Schürze drehte sich nicht einmal um. Das war keine normale Reaktion. Stattdessen griff er nach seinem Pinsel und setzte seine Arbeit an dem Bild fort. McCaleb reichte der Frau die Hand.
»Offiziell bin ich gar kein Polizist. Ich bin nur vom Sheriff’s Department gebeten worden, bei Ermittlungen auszuhelfen.«
Sie schüttelten sich die Hände.
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie. »Wurde ein Bosch-Gemälde gestohlen?«
»Nein, nichts dergleichen. Ist das ein Bosch?«
Er deutete auf das
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