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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Sie unterbrochen habe.«
    »Ich wollte Sie gerade auf den interessanten Umstand hinweisen, dass Bosch ein Zeitgenosse Leonardos, Michelangelos und Raffaels war. Hält man allerdings ihre Arbeiten nebeneinander, könnte man denken, Bosch – mit all seinen mittelalterlichen Symbolen und Schreckensvisionen – hätte ein Jahrhundert früher gelebt.«
    »Was aber nicht der Fall ist.«
    Sie schüttelte den Kopf, als täte Bosch ihr Leid.
    »Er und Leonardo waren praktisch gleich alt. Aber während da Vinci am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts Werke schuf, die voller Hoffnung waren und Spiritualität und menschliche Werte priesen, standen bei Bosch Tod und Verdammnis im Vordergrund.«
    »Und das finden Sie schade, nicht?«
    Sie legte die Hände auf den obersten Bildband des Bücherstapels, öffnete ihn aber nicht. Auf dem Buchrücken stand lediglich BOSCH und der schwarze Ledereinband trug keine Abbildung.
    »Ich muss einfach ständig daran denken, was hätte sein können, wenn Bosch Seite an Seite mit Leonardo da Vinci oder Michelangelo gearbeitet hätte; was vielleicht herausgekommen wäre, wenn er seine Technik und seine Phantasie dazu benutzt hätte, die Welt zu preisen, statt sie zu verdammen.«
    Sie blickte auf das Buch hinab und dann wieder hoch zu McCaleb.
    »Aber das ist das Schöne an der Kunst und der Grund, warum wir sie studieren und schätzen. Jedes Gemälde ist ein Fenster zur Seele und Phantasie des Künstlers. Ungeachtet dessen, wie düster und verstörend sie sein mag, ist es seine Sicht der Dinge, die ihn und seine Bilder einzigartig macht. Die Sache mit Bosch ist die, dass seine Gemälde mich unweigerlich ins Innere des Künstlers versetzen und ich die Qualen spüren kann.«
    Er nickte und sie senkte den Blick und schlug das Buch auf.
    * * *
    Die Welt des Hieronymus Bosch war für McCaleb ebenso eindrucksvoll wie verstörend. Die Szenerien des Leids, die sich ihm auf den Seiten auftaten, die Penelope Fitzgerald umblätterte, glichen manchen der grässlichsten Tatorte, die er zu Gesicht bekommen hatte, nur lebten und litten in diesen gemalten Darstellungen die Betroffenen noch. Das Aufeinanderbeißen der Zähne und das Zerfleischen der Leiber waren aktuell und real. Boschs Leinwände waren mit Verdammten bevölkert, mit Menschen, die von Dämonen und Kreaturen, die von einer schreckenerregenden Phantasie Gestalt verliehen bekommen hatten, für ihre Sünden gequält wurden.
    Zunächst betrachtete er die Farbreproduktionen der Gemälde schweigend. Er studierte sie so gründlich, wie er sich ein Foto von einem Tatort beim ersten Mal angesehen hätte. Doch dann blätterte Penelope Fitzgerald eine Seite weiter und er hatte ein Gemälde vor sich, auf dem drei Personen im Kreis um einen sitzenden Mann standen. Eine der stehenden Personen machte sich mit einer Art primitivem Skalpell an einer Wunde am Kopf des sitzenden Mannes zu schaffen. Das Bild war rund. Über und unter die kreisförmige Darstellung waren Wörter gemalt.
    »Was ist das für ein Bild?«, fragte er.
    »Es hat den Titel Das Steinschneiden« , antwortete Fitzgerald. »Damals war die Meinung weit verbreitet, Dummheit und Falschheit könnten geheilt werden, wenn man aus dem Kopf der an dieser Krankheit leidenden Person einen Stein entfernte.«
    McCaleb beugte sich über ihre Schulter und sah sich das Bild genau an. Dabei stellte er fest, dass sich die Operationswunde an einer ähnlichen Stelle befand wie die Wunde auf Edward Gunns Kopf.
    »Okay, Sie können weiterblättern.«
    Überall waren Eulen. Meistens brauchte Fitzgerald sie ihm nicht einmal zu zeigen, so auffällig waren sie platziert. Sie erläuterte ihm die begleitende Bildwelt. Fast immer, wenn die Eule in einem Gemälde auf einem Baum abgebildet war, war der Ast, auf dem das Symbol des Bösen hockte, entlaubt und grau – tot.
    Sie blätterte zu einem dreiteiligen Gemälde.
    »Dieses Triptychon heißt Das Jüngste Gericht. Die linke Tafel trägt den Untertitel Der Sündenfall, die rechte heißt schlicht und einfach – und sinnfälligerweise – Die Hölle. «
    »Er hatte eindeutig ein Faible für die Hölle.«
    Nep Fitzgerald lächelte nicht. Sie betrachtete das Bild.
    Auf der linken Tafel des Gemäldes war eine Paradiesszene zu sehen, in der die Schlange Adam und Eva den Apfel vom Baum der Erkenntnis anbot. Beobachtet wurde diese Transaktion von einer Eule, die auf einem abgestorbenen Ast eines in der Nähe stehenden Baumes saß. Auf der gegenüberliegenden Tafel mit dem Titel Die

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