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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Bild.
    »Nicht ganz. Es könnte eine Kopie eines seiner Werke sein. Wenn dem so ist, dann ist das Original verschollen und das ist alles, was wir haben. Stilistisch und vom Bildaufbau her könnte es von ihm sein. Aber die gängige Meinung lautet, dass es sich um die Arbeit eines Schülers aus seiner Werkstatt handelt. Es wurde vermutlich nach Boschs Tod gemalt.«
    Nachdem sie gesprochen hatte, wich ihr Blick nicht mehr von dem Gemälde. Sie hatte scharfe und freundliche Augen, denen ihre Begeisterung für Bosch deutlich anzusehen war. McCaleb schätzte sie auf zirka sechzig und nahm an, dass sie ihr ganzes Leben dem Studium und der Liebe zur Kunst gewidmet hatte. Allerdings hatte er sie sich ganz anders vorgestellt. Da Scott sie als eine Mitarbeiterin beschrieben hatte, die an einem Werkverzeichnis über Bosch arbeitete, hatte McCaleb mit einer jungen Kunststudentin gerechnet. Im Stillen machte er sich wegen dieser Annahme Vorwürfe.
    Der Mann mit der Schürze legte seinen Pinsel wieder beiseite und wischte sich mit einem sauberen weißen Tuch die Hände ab. Als er sich darauf auf seinem Stuhl herumdrehte und aufblickte, bemerkte er McCaleb und Scott. Erst jetzt wurde McCaleb klar, dass er eine weitere falsche Annahme gemacht hatte. Der Mann hatte sie nicht ignoriert. Er hatte sie ganz einfach nicht gehört.
    Der Mann schob die Vergrößerungsbrille auf seine Stirn hoch und griff unter den Latz seiner Schürze, um ein Hörgerät anzustellen.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Ich habe gar nicht mitbekommen, dass wir Besuch haben.«
    Er sprach mit einem starken deutschen Akzent.
    »Dr. Erich Vosskuhler, das ist Mr. McCaleb«, sagte Scott. »Er stellt für die Polizei Ermittlungen an und müsste Ihnen Mrs. Fitzgerald kurz entführen.«
    »Natürlich. Jederzeit.«
    »Dr. Vosskuhler ist einer unser Restauratoren«, führte Scott näher aus.
    Vosskuhler nickte und sah McCaleb an, als betrachtete er ein Gemälde. Er machte keine Anstalten, ihm die Hand zu reichen.
    »Ermittlungen? In Zusammenhang mit Hieronymus Bosch?«
    »Nur sehr am Rande. Ich möchte mich lediglich möglichst gründlich über ihn informieren. Und man hat mir gesagt, Mrs. Fitzgerald ist Expertin für Bosch.«
    McCaleb lächelte.
    »Für Bosch ist niemand Experte«, sagte Vosskuhler, ohne zu lächeln. »Eine gemarterte Seele, ein gequältes Genie … Woher wollen wir wissen, was im Innern eines Menschen wirklich vor sich geht?«
    McCaleb nickte nur. Vosskuhler drehte sich um und nahm das Gemälde in Augenschein.
    »Was sehen Sie hier, Mr. McCaleb?«
    McCaleb sah das Bild an und sagte erst einmal nichts.
    »Eine Menge Leid.«
    Vosskuhler nickte zustimmend. Dann stand er auf und zog die Brille wieder nach unten, um das Gemälde zu studieren. Er beugte sich zum oberen Teil vor, so dass die Vergrößerungsgläser nur wenige Zentimeter vom Nachthimmel über dem brennenden Dorf entfernt waren.
    »Bosch kannte alle Dämonen«, sagte er, ohne sich von dem Bild abzuwenden. »Dieses Dunkel …«
    Ein langer Moment des Schweigens verstrich.
    »Ein Dunkel, tiefer als die Nacht.«
    Es folgte ein weiteres langes Schweigen. Es war Scott, der es schließlich abrupt brach. Er sagte, er müsse in sein Büro zurück, und ging. Nach einer Weile wandte sich Vosskuhler endlich von dem Gemälde ab. Er machte sich nicht die Mühe, die Vergrößerungsbrille hochzuschieben, als er McCaleb ansah. Er fasste langsam unter seine Schürze und schaltete jedes Geräusch für seine Ohren ab.
    »Auch ich muss wieder an die Arbeit. Viel Erfolg bei Ihren Ermittlungen, Mr. McCaleb.«
    McCaleb nickte, als Vosskuhler sich auf seinem Drehstuhl zurechtsetzte und wieder nach dem Pinsel griff.
    »Gehen wir doch in mein Büro«, schlug Fitzgerald vor. »Dort habe ich alle Bildbände aus unserer Bibliothek. Ich kann Ihnen Boschs Arbeiten zeigen.«
    »Das wäre prima. Danke.«
    Sie ging zur Tür. McCaleb hielt einen Moment inne und sah ein letztes Mal auf das Gemälde. Es war die obere Hälfte, die seinen Blick auf sich zog, das wirbelnde Dunkel über den Flammen.
    * * *
    Penelope Fitzgeralds Büro war ein zwei mal zwei Meter großes Abteil in einem Raum, den sich mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter teilten. Sie holte aus einem anderen Abteil, in dem gerade niemand war, einen Stuhl und forderte McCaleb auf, Platz zu nehmen. Auf der linken Seite ihres L-förmigen Schreibtisches stand ein Laptop, die zum Arbeiten dienende rechte Seite war mit Büchern und Unterlagen übersät. Hinter einem Stapel

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