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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ein heiliges Band, das am Tatort geknüpft wurde und unauflöslich war. Dieses Band war es letztlich, das einen Cop die Suche nach dem Täter aufnehmen ließ und ihn in die Lage versetzte, alle Hindernisse zu überwinden, die sich ihm dabei in den Weg stellten. Diese Cops bezeichnete McCaleb als Racheengel. Aus Erfahrung wusste er, dass die besten Ermittler, mit denen er je zusammengearbeitet hatte, zu dieser Sorte Cops gehörten. Und er war auch zu der Überzeugung gelangt, dass sie sich am dichtesten am Rand des Abgrunds entlangbewegten, an den ihre Tätigkeit sie führte.
    Vor zehn Jahren hatte er Harry Bosch als Racheengel klassifiziert. Doch jetzt galt es zu klären, ob der Detective dem Abgrund zu nahe gekommen war. Jetzt lautete die Frage, ob Bosch vielleicht einen Schritt zu weit gegangen war.
    McCaleb schloss den Ordner und zog die zwei Bildbände aus seinem Umhängebeutel. Beide trugen den schlichten Titel Bosch. Der größere von beiden, mit den Farbreproduktionen aller Gemälde, war von R. H. Marijnissen und P. Ruyffelaere herausgegeben. Der zweite, der ausführlichere Analysen der Gemälde zu enthalten schien, war von Erik Larsen.
    McCaleb begann mit dem kleineren Band und überflog die Seiten mit den Analysen der Bilder. Dabei stellte er rasch fest, dass es, wie Penelope Fitzgerald bemerkt hatte, viele unterschiedliche und sogar gegensätzliche Meinungen über Hieronymus Bosch gab. Der Larsen-Band zitierte Wissenschaftler, die Bosch als Humanisten bezeichneten, und einer vertrat sogar die Auffassung, Bosch habe einer Gruppe von Häretikern angehört, die glaubten, die Erde sei im wahrsten Sinn des Wortes eine Hölle, über die Satan herrsche. Es gab unter den Kunsthistorikern ausführliche Auseinandersetzungen über die von Bosch intendierte Bedeutung einiger Gemälde und über die Frage, ob einige Werke tatsächlich ihm zugeschrieben werden könnten oder ob der Maler jemals in Italien gewesen sei und dort die Arbeiten seiner Renaissance-Zeitgenossen gesehen habe.
    Als McCaleb schließlich klar wurde, dass die über Hieronymus Bosch geschriebenen Sätze, zumindest für seine Zwecke, vermutlich nicht wichtig waren, klappte er das Buch zu. Wenn Boschs Werk so viele unterschiedliche Deutungen zuließ, dann war die einzige Auslegung, die zählte, die des Mörders von Edward Gunn. Es kam nur darauf an, was der Mörder in Boschs Gemälden sah und als Anregungen für sich aufgriff.
    McCaleb schlug den größeren Bildband auf und begann, die Reproduktionen sorgfältig zu studieren. Als er sich die Bilder im Getty Museum angesehen hatte, hatte er unter Zeitdruck gestanden und war außerdem durch die Anwesenheit einer zweiten Person abgelenkt.
    Da er vorhatte, eine Liste aller Eulen zusammenzustellen, die er in den Bildern entdeckte, und jedem Eintrag eine genaue Beschreibung beizufügen, legte er sein Notizbuch auf die Armlehne der Couch. Wie er rasch feststellte, enthielten die Gemälde so minutiöse Details, dass er auf den verkleinerten Reproduktionen vielleicht wichtige Einzelheiten übersah. Daher ging er in die Bugkabine, um das Vergrößerungsglas zu suchen, das er in seinen FBI-Zeiten für den Fall, dass er ein Tatortfoto besonders genau studieren wollte, immer in seinem Schreibtisch aufbewahrt hatte.
    Als er über eine Schachtel mit Büroutensilien gebeugt stand, die er vor fünf Jahren aus seinem Schreibtisch geräumt hatte, spürte er, wie etwas gegen das Boot stieß. Er richtete sich auf. Da er das Schlauchboot am Heck festgebunden hatte, konnte es nicht sein eigenes Beiboot gewesen sein. Noch während er das dachte, spürte er das unverkennbare Auf und Ab des Bootes, das anzeigte, dass jemand an Bord geklettert war. Sein erster Gedanke galt der Kajütentür. Er war sicher, sie nicht abgeschlossen zu haben.
    Er blickte in die Schachtel, die er gerade durchwühlt hatte, und packte den Brieföffner.
    Als er die Treppe zur Kombüse hinaufstieg, blickte er sich in der Kajüte um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Wegen der Spiegelungen im Glas der Schiebetür war es schwer, nach draußen zu sehen, aber im Cockpit stand, seine Silhouette gegen die Straßenlampen in der Crescent Street deutlich abgehoben, ein Mann. Er hatte der Kajüte den Rücken zugekehrt, als bewunderte er die Lichter der Stadt, die sich den Hügel hinaufzogen.
    McCaleb huschte zur Schiebetür und zog sie auf. Er hielt den Brieföffner an seiner Seite, aber mit nach oben zeigender Spitze. Der Mann im Cockpit drehte sich

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