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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Maddies Entführer glauben, dass ich noch in L.A. bin und zu entscheiden versuche, ob wir ihren Mann laufenlassen sollen oder nicht. Wenn jetzt allerdings Sun Yee hier zur Triade geht, um mir eine Pistole zu beschaffen, muss er ihnen da nicht erzählen, für wen er die Waffe braucht und was er damit vorhat? Wird der Kerl, von dem er die Pistole erhält, dann nicht als Erstes zu den Triadenleuten drüben in Kowloon rennen und ihnen alles stecken? Du weißt schon, in dem Stil: Schaut mal, wer da aufgetaucht ist, und übrigens, er hat es auf euch abgesehen.«
    »Nein, Harry«, entgegnete Eleanor bestimmt. »So läuft es nicht.«
    »Und wie läuft es dann?«
    »Ich habe dir doch gesagt. Sun Yee löst hier einen Gefallen ein. Mehr nicht. Er muss keine Informationen herausrücken, weil ihm der Kerl mit der Pistole einen Gefallen schuldig ist. Das ist, wie das funktioniert, verstehst du?«
    Bosch starrte auf den Eingang des Clubs. Von Sun war immer noch nichts zu sehen.
    »Okay.«
    Im Auto verstrichen fünf weitere Minuten in tiefem Schweigen, und dann kam Sun durch die gelbe Tür nach draußen. Aber statt zum Auto zu gehen, überquerte er die Straße und betrat die Garküche. Bosch versuchte, durch die Fenster ins Innere des Ladens zu spähen, aber wegen des grellen Neonlichts, das sich in ihnen spiegelte, konnte er Sun nicht mehr sehen.
    »Was macht er jetzt?«, fragte Bosch. »Holt er sich was zu essen?«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Eleanor. »Wahrscheinlich haben sie ihn dorthin geschickt.«
    Bosch nickte. Sicherheitsvorkehrungen. Weitere fünf Minuten vergingen, und als Sun wieder aus der Garküche kam, trug er einen mit zwei Gummis verschlossenen Styroporbehälter. Er hielt ihn waagrecht, so, als wollte er vermeiden, dass etwas von dem Essen, das er enthielt, heraustropfte. Er kam zum Auto, stieg ein und reichte Bosch den Behälter wortlos über den Sitz.
    Bosch legte ihn in seinen Schoß, entfernte die Gummis und öffnete ihn, als Sun losfuhr. Der Behälter enthielt eine mittelgroße Pistole aus blauem Stahl. Sonst nichts. Kein Reservemagazin und keine Extramunition. Nur die Pistole und was in ihr war.
    Bosch ließ den Behälter auf den Boden fallen und nahm die Pistole in die linke Hand. Auf der Brünierung waren kein Markenname und keine Bezeichnung. Nur Modell- und Seriennummer. Aber der in den Griff geprägte fünfzackige Stern verriet Bosch, dass es sich um eine Black-Star-Pistole aus staatlichen chinesischen Beständen handelte. Gelegentlich hatte er diesen Waffentyp auch schon in L.A. gesehen. Sie wurden zu Zehntausenden fürs chinesische Militär produziert, aber eine wachsende Anzahl wurde gestohlen und über den Pazifik in die Staaten geschmuggelt. Viele von ihnen blieben aber offensichtlich in China und landeten in Hongkong.
    Bosch hielt die Pistole zwischen seinen Knien und entfernte das Magazin. Es war doppelreihig mit fünfzehn 9-Millimeter-Parabellumgeschossen geladen. Er drückte die Kugeln der Reihe nach mit dem Daumen heraus und legte sie in den Becherhalter in der Armstütze. Dann nahm er das sechzehnte Projektil aus dem Patronenlager und legte es zu den anderen.
    Bosch visierte den Lauf hinunter. Er untersuchte das Patronenlager, hielt nach Rostspuren Ausschau und begutachtete schließlich Schlagbolzen und Auszieher. Dann testete er mehrere Male Funktionsweise und Abzug. Die Waffe schien tadellos in Schuss. Als er das Magazin wieder lud, untersuchte er jede Kugel einzeln nach Korrosionsspuren oder sonstigen Hinweisen, dass die Munition alt oder suspekt war. Er entdeckte nichts.
    Er schob das Magazin fest in den Griff zurück und beförderte die erste Kugel ins Patronenlager. Dann nahm er das Magazin wieder heraus, schob die letzte Kugel in das freigewordene Lager und setzte die Waffe erneut zusammen. Er hatte sechzehn Schuss, mehr nicht.
    »Zufrieden?«, fragte Eleanor vom Beifahrersitz.
    Bosch blickte von der Pistole auf und sah, dass sie gerade in den Cross Harbour Tunnel hinunterfuhren. Er führte direkt nach Kowloon.
    »Noch nicht ganz. Ich verlasse mich nicht gern auf eine Waffe, die ich noch nie abgefeuert habe. Könnte ohne weiteres sein, dass der Schlagbolzen abgefeilt ist, und was mache ich dann, wenn ich das Ding brauche?«
    »Da lässt sich leider nichts machen. Du wirst dich wohl oder übel auf Sun Yee verlassen müssen.«
    Weil es Sonntagmorgen war, herrschte in dem zweispurig befahrbaren Tunnel wenig Verkehr. Bosch wartete, bis sie

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