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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Eisenbach«, begann ich, »würden Sie den Geschworenen bitte sagen, was Sie beruflich machen?«
    »Ich bin zwar pensioniert, aber weiterhin als Obduktionsberater tätig. Ein
Söldner,
wie so jemand in Anwaltskreisen gern genannt wird. Ich begutachte Obduktionen und erkläre dann den Anwälten und Geschworenen, was der Rechtsmediziner dabei richtig oder falsch gemacht hat.«
    »Und was haben Sie vor Ihrer Pensionierung beruflich gemacht?«
    »Ich war stellvertretender Leiter der Rechtsmedizin des County of Los Angeles. Dreißig Jahre lang.«
    »Und in dieser Funktion haben Sie Obduktionen durchgeführt?«
    »Jawohl, Sir, so ist es. In diesen dreißig Jahren habe ich über zwanzigtausend Obduktionen vorgenommen. Das sind einige Tote.«
    »Allerdings, Dr. Eisenbach. Erinnern Sie sich an alle?«
    »Natürlich nicht. Aus dem Stegreif erinnere ich mich vielleicht an eine Handvoll. Bei den anderen müsste ich auf meine Unterlagen zurückgreifen.«
    Nachdem ich von der Richterin die entsprechende Erlaubnis erhalten hatte, ging ich zum Zeugenstand und legte ein vierzig Seiten umfassendes Dokument darauf.
    »Dr. Eisenbach, darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf dieses Dokument lenken? Können Sie es identifizieren?«
    »Ja, es ist ein Obduktionsbefund vom 18. Februar 1986. Die Verstorbene ist als Melissa Theresa Landy aufgeführt. Auch mein Name steht darauf. Es ist eine von meinen.«
    »Heißt das, dass Sie die Obduktion vorgenommen haben?«
    »Ja, das heißt es.«
    Dem ließ ich eine Reihe von Fragen folgen, die sich mit dem Vorgehen bei einer Obduktion und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Opfers vor seinem Tod befassten. Royce legte mehrere Male Einspruch gegen seiner Meinung nach suggestive Fragen ein. Nur in wenigen Fällen gab ihnen die Richterin statt, aber darum ging es auch gar nicht. Royce verfolgte mit dieser Taktik nur das Ziel, mich durch ständige Unterbrechungen aus dem Konzept zu bringen. Ob diese begründet waren, spielte dabei keine Rolle.
    Ungeachtet dieser Störmanöver gelang es Eisenbach, zu bezeugen, dass sich Melissa Landy bis zu ihrem gewaltsamen Tod bester Gesundheit erfreut hatte. Er sagte, sie sei in keinerlei erkennbarer Weise sexuell missbraucht worden. Er sagte, es habe keine Hinweise auf frühere sexuelle Aktivitäten gegeben – sie sei Jungfrau gewesen. Er sagte, die Todesursache sei Erstickung gewesen. Er sagte, die gebrochenen Knochen in Hals und Kehle des Opfers deuteten darauf hin, dass sie mit großer Kraft erdrosselt worden war – mit einer Hand und von einem Mann.
    Mit einem Laserpointer deutete Eisenbach daraufhin auf verschiedene Stellen der Fotos, die bei der Obduktion vom Hals der Leiche gemacht worden waren, und ordnete sie einem Verletzungsmuster zu, wie es einem einhändigen Würgegriff zugeschrieben wird. Er zeigte auf einen Daumenabdruck auf der rechten Seite des Halses des Mädchens und auf eine größere, von den vier Fingern herrührende Stelle auf der linken Seite.
    »Herr Doktor, konnten Sie feststellen, mit welcher Hand der Mörder das Opfer erwürgt hat?«
    »Ja, es ließ sich sehr einfach feststellen, dass der Mörder das Mädchen mit der rechten Hand erwürgt hat.«
    »Nur mit einer Hand?«
    »So ist es.«
    »Konnten Sie auch andere Begleitumstände bei der Ausübung der Tat feststellen? Wurde das Mädchen zum Beispiel hochgehoben, als es erwürgt wurde?«
    »Nein. Die Verletzungen, insbesondere die zerdrückten Knochen, deuteten darauf hin, dass der Mörder seine Hand auf ihren Hals legte und ihn gegen eine Oberfläche drückte, die Widerstand bot.«
    »Könnte das der Sitz eines Fahrzeugs gewesen sein?«
    »Ja.«
    »Auch das Bein eines Mannes?«
    Royce legte Einspruch ein, mit der Begründung, die Frage verleite zu Spekulationen. Die Richterin gab ihm statt und forderte mich auf, zum nächsten Punkt zu kommen.
    »Herr Doktor, Sie haben von zwanzigtausend Obduktionen gesprochen. Ich gehe einmal davon aus, dass darunter auch viele Morde waren, bei denen das Opfer erstickt wurde. War dieser Fall insofern ungewöhnlich, als das Opfer nur mit einer Hand erwürgt wurde?«
    Royce legte wieder Einspruch ein, diesmal mit der Begründung, die Frage ziele auf eine Antwort ab, die die Kompetenz des Zeugen übersteige. Aber die Richterin entschied zu meinen Gunsten.
    »Der Zeuge hat zwanzigtausend Obduktionen vorgenommen«, erklärte sie. »Angesichts dessen glaube ich berechtigterweise davon ausgehen zu dürfen, dass dies dem Zeugen die erforderliche Kompetenz verleiht. Ich

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