Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
rechnen.«
»Und was soll ich jetzt machen?«
»Ich schicke euch ein Personenschutzteam ins Gericht – auch für dich. Sie wissen, was sie zu tun haben.«
»Sie sollen sich um Sarah kümmern. Ich brauche keinen Schutz.«
»Wie du meinst. Aber ich würde es dir empfehlen.«
Er klappte das Handy zu und sah McPherson an.
»Ich schicke ihnen ein Personenschutzteam ins Gericht. Und du nimmst jetzt bitte meinen Wagen, lädst meine und deine Tochter ein und bringst sie an einen sicheren Ort. Dann rufst du mich an, und ich schicke auch euch ein Team.«
»Mein Auto steht nur zwei Straßen weiter. Ich kann doch auch …«
»Wir dürfen keine Zeit verlieren. Nimm meins und fahr sofort los. Ich rufe in der Schule an und sage Bescheid, dass du Maddie abholen kommst.«
»Okay.«
»Danke. Und ruf mich an, wenn du …«
Vom Eingang der Kanzlei kamen laute Rufe. Aufgebrachte Männerstimmen. Manny Bransons Kollegen waren eingetroffen. Sie sahen ihren erschossenen Kameraden auf dem Boden liegen und ließen sich von ihrem Zorn und dem Blutgeruch für die Jagd befeuern.
»Komm«, sagte Bosch zu McPherson.
Sie gingen zum Eingang der Kanzlei. Wright stand vor der Tür und tröstete zwei SIS -Männer mit wutverzerrten, tränenüberströmten Gesichtern. Bosch ging um Bransons Leiche herum nach draußen. Er tippte Wright gegen den Ellbogen.
»Ich muss Sie kurz sprechen, Lieutenant.«
Wright wandte sich von den zwei SIS -Männern ab und folgte ihm. Damit niemand sie hören konnte, entfernte sich Bosch ein paar Schritte vom Eingang. Aber er hätte sich keine Sorgen machen müssen, belauscht zu werden. Über ihnen kreisten mindestens vier Medienhubschrauber und legten einen Lärmteppich über den Tatort, der jede Unterhaltung unabhörbar machte.
Bosch beugte sich zu Wrights Ohr. »Ich brauche zwei Ihrer besten Leute.«
»Okay. Was haben Sie vor?«
»Auf dem Schreibtisch eines der Opfer ist ein Notizblock mit der Zimmernummer unserer Hauptzeugin. Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass der Täter die Nummer ihres Hotelzimmers kennt. Dem Gemetzel da drinnen nach zu schließen, hat er vor, alle umzubringen, die in irgendeiner Form mit dem Prozess zu tun haben. Alle, die ihm seiner Meinung nach Unrecht angetan haben. Diese Liste dürfte zwar ziemlich lang sein, aber unsere Zeugin steht bestimmt ganz oben.«
»Verstehe. Möchten Sie, dass wir uns im Hotel postieren?«
Bosch nickte.
»Ja. Ein Mann davor, einer drinnen und ich in ihrem Zimmer. Wir warten, ob er auftaucht.«
Wright schüttelte den Kopf.
»Wir nehmen vier Mann. Zwei drinnen und zwei draußen. Aber in ihrem Zimmer zu warten, können Sie sich sparen. So weit wird Jessup nicht kommen. Es ist sicherlich wesentlich vernünftiger, wenn wir beide uns einen erhöht gelegenen Beobachtungspunkt suchen und dort einen Befehlsstand einrichten.«
Bosch nickte.
»Okay, dann los.«
»Nur noch eine Sache.«
»Ja, was?«
»Wenn ich Sie mitnehme, halten Sie sich zurück, Bosch. Wenn sich jemand diesen Kerl kauft, dann meine Leute, ist das klar?«
Bosch sah den Lieutenant kurz prüfend an und versuchte die versteckte Bedeutung hinter seinen Worten zu lesen.
»Da wären bloß noch eine ganze Reihe offener Fragen«, sagte er schließlich. »Was den Franklin Canyon und die anderen Stellen dort oben angeht. Ich möchte unbedingt mit Jessup reden.«
Wright blickte über Boschs Schulter auf die Eingangstür der Kanzlei.
»Detective, dort drinnen liegt einer meiner besten Männer tot auf dem Boden. Da kann ich Ihnen für nichts garantieren. Verstehen Sie?«
Bosch zögerte kurz, dann nickte er.
»Ja, verstehe.«
41
Donnerstag, 8. April, 13:50 Uhr
D iesmal waren die Medien zahlreicher im Gerichtssaal vertreten als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt des Prozesses. Die ersten zwei Zuschauerreihen waren bis auf den letzten Platz mit Reportern und Kameramännern besetzt. Auf den restlichen Sitzen waren Gerichtsbedienstete und Anwälte, die von der Tragödie um Clive Royce gehört hatten.
Sarah Gleason saß in einer Sitzreihe neben dem Schreibtisch des Deputy, die eigentlich für Strafverfolgungsbeamte reserviert war. Aber der Deputy hatte sie dort Platz nehmen lassen, um ihr die Reporter vom Leib zu halten. Ich saß am Tisch der Anklage und wartete wie ein Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel auf die Richterin. Keine Maggie. Kein Bosch. Niemand am Tisch der Verteidigung. Ich war allein.
»Mickey«, flüsterte jemand hinter mir.
Ich drehte mich um. Es war Kate Salters von
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