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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Vernebelungstaktiken aller Strafverteidiger der Welt verantwortlich wäre. Bosch konnte sich langsam vorstellen, warum ihre Ehe gescheitert war.
    »Schon erstaunlich, was sich seitdem auf diesem Sektor getan hat«, bemerkte Haller. »Inzwischen werden Gerichtsverfahren allein anhand von DNA -Beweisen entschieden.«
    »Aber jetzt weiter«, drängte McPherson. »Die Anklage hatte also die Haare aus dem Abschleppwagen und die Augenzeugin. Dazu kam, dass sich Jessup in der Gegend gut auskannte und zur Tatzeit dort gearbeitet hatte. Damit war auch eine Gelegenheit gegeben. Was das Tatmotiv anging, brachten Nachforschungen über Jessups Vergangenheit schwere Züchtigungen durch den Vater und psychopathische Verhaltensweisen zutage. Vieles davon kam in der Phase des Prozesses zur Sprache, in der über die Todesstrafe verhandelt wurde. Aber – und ich sage das, bevor du dich darauf stürzt, Haller – keine Vorstrafen.«
    »Und keine Spuren von sexuellem Missbrauch?«, fragte Bosch.
    »Keinerlei Hinweise auf eine Penetration oder sonstige sexuelle Handlungen. Aber das Ganze war eindeutig sexuell motiviert. Mal abgesehen von dem Sperma, war es eindeutig eine Tat, bei der es dem Täter darum ging, totale Kontrolle über sein Opfer auszuüben. Der Täter verschaffte sich kurzzeitig das Gefühl, in einer Welt, in der er normalerweise sehr wenig selbst bestimmen konnte, alles unter Kontrolle zu haben. Er handelte impulsiv. Schon damals konnte man sich das auf dem Kleid gefundene Sperma nicht so recht erklären. Man stellte die Theorie auf, er habe das Mädchen umgebracht und dann masturbiert und hinterher alles sauber gemacht und die kleinen Spermareste seien nur versehentlich auf das Kleid geraten. Der Fleck sah wie eine Übertragungsablagerung aus. Es war kein Tropfen. Das Sperma war mit dem Kleid aufgewischt worden.«
    »Das wäre eine Erklärung dafür, warum die DNA nicht von Jessup stammt«, sagte Haller.
    »Möglicherweise«, entgegnete McPherson. »Aber ich würde vorschlagen, mit den neuen Beweisen befassen wir uns später. Beschäftigen wir uns erst einmal mit dem, was man 1986 hatte und wusste.«
    »Gut. Dann weiter.«
    »Über die Beweislage ist das bereits alles, aber nicht über die Falldarstellung der Anklage. Zwei Monate vor Prozessbeginn bekamen sie einen Anruf von dem Kerl aus der Zelle neben der von Jessup. Er …«
    »Ein Knastspitzel«, unterbrach Haller seine Ex-Frau. »Das wäre der erste, den ich kenne, der die Wahrheit sagt, und auch der erste Ankläger, der so etwas vor Gericht verwendet.«
    »Dürfte ich vielleicht weitermachen?«, fragte McPherson ungehalten.
    »Aber natürlich, bitte.« Haller hob beschwichtigend die Hände.
    »Ein gewisser Felix Turner. Er hatte wegen wiederholter Drogendelikte schon so oft im Bezirksgefängnis eingesessen, dass sie ihn für die Essensausgabe einteilten, weil er mit dem Ablauf genauso gut vertraut war wie die Deputys. Er brachte den Häftlingen im Hochsicherheitstrakt das Essen. Und jetzt meldet sich also dieser Turner bei den Ermittlern und behauptet, Jessup hätte ihm Details der Tat genannt, die nur der Mörder kennen könnte. Er wurde vernommen und wusste tatsächlich Dinge, die die Polizei nicht an die Öffentlichkeit hatte dringen lassen. Zum Beispiel, dass das Opfer keine Schuhe mehr angehabt hatte oder dass sich der Täter nicht an dem Mädchen vergangen hatte und dass er sich mit ihrem Kleid abgewischt hatte.«
    »Und deshalb haben sie ihm geglaubt und ihn als Kronzeugen auftreten lassen«, sagte Haller.
    »Sie haben ihm geglaubt und ihn beim Prozess in den Zeugenstand gerufen. Zwar nicht als Kronzeugen. Aber seine Aussage hatte dennoch Gewicht. Und dann brachte die
Times
vier Jahre später auf der ersten Seite einen ausführlichen Bericht über Felix ›The Burner‹ Turner, der in einem Zeitraum von sieben Jahren in sechzehn verschiedenen Fällen als professioneller Gefängnisspitzel für die Anklage ausgesagt hatte und sich auf diese Weise erhebliche Reduzierungen der gegen ihn erhobenen Anklagepunkte und der Haftdauer eingehandelt hatte sowie andere Vergünstigungen wie eine eigene Zelle, gute Jobs und große Mengen an Zigaretten.«
    Bosch konnte sich an den Skandal erinnern. Er hatte die Bezirksstaatsanwaltschaft Anfang der neunziger Jahre heftiger Kritik ausgesetzt und dafür gesorgt, dass Gefängnisinformanten nur noch in den seltensten Fällen als Zeugen eingesetzt wurden. Es war eins der vielen blauen Augen, die sich die lokalen Justizbehörden in

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