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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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nicht?«
    »Allerdings. Vielleicht legen sie Jessup um, und wir brauchen uns wegen des Prozesses gar keine Gedanken mehr zu machen.«
    Die Special Investigation Section war eine auf Observierungen spezialisierte Eliteeinheit, die es bereits über vierzig Jahre gab, obwohl sie eine höhere Tötungsrate hatte als jede andere Polizeiabteilung, die SWAT -Einheiten eingeschlossen. Die SIS kam bei der heimlichen Observierung sogenannter Spitzenprädatoren zum Einsatz; das waren im Polizeijargon extrem gefährliche mutmaßliche Gewalttäter, die nur gestoppt werden konnten, wenn sie von der Polizei auf frischer Tat ertappt und festgenommen wurden. Die Observierungsspezialisten der SIS -Einheiten warteten, bis der jeweilige Verdächtige kurz davor stand, eine weitere Straftat zu begehen, und nahmen ihn dann im allerletzten Moment, oft mit fatalen Folgen, fest.
    Was McPherson daran so komisch fand, war, dass Gabriel Williams Bürgerrechtsanwalt gewesen war, bevor er für das Amt des Bezirksstaatsanwalts kandidiert und die Wahl gewonnen hatte. Als solcher hatte er die Polizei in mehreren Fällen wegen SIS -Übergriffen verklagt und dabei als Begründung vorgebracht, die Grundstrategie der SIS ziele darauf ab, Verdächtige in tödliche Konfrontationen mit der Polizei zu locken. Als er eine Klage wegen eines SIS -Einsatzes vor einem Tommy’s-Fastfood-Lokal ankündigte, der mit dem Tod von vier Räubern endete, hatte er die Einheit sogar als »Todesschwadron« bezeichnet. Eben diese Todesschwadron war nun an einem Einsatz beteiligt, der möglicherweise dazu beitrug, den Prozess gegen Jessup zu gewinnen und Williams’ politische Karriere voranzutreiben.
    »Wirst du über seine Aktivitäten auf dem Laufenden gehalten?«, fragte McPherson.
    »Ich bekomme jeden Morgen ein Observierungsprotokoll. Und wenn irgendwas Besonderes passiert, rufen sie mich an.«
    »Na, wunderbar. Sonst noch was? Ich bin nämlich etwas in Eile. Einer meiner anderen Fälle. Die Verhandlung geht jeden Moment los.«
    »Ja, ich habe unsere Zeugin gefunden.«
    »Super! Wo ist sie?«
    »Oben in Washington auf der Nordspitze der Olympic-Halbinsel. Der Ort heißt Port Townsend. Sie hat wieder ihren Geburtsnamen angenommen, Sarah Ann Gleason, und wie es aussieht, führt sie dort oben seit etwa sechs Jahren wieder eine bürgerliche Existenz.«
    »Das kann nur gut für uns sein.«
    »Nicht unbedingt.«
    »Wieso?«
    »Für mich hat es den Anschein, als hätte sie fast ihr ganzes Leben versucht, über das hinwegzukommen, was an diesem Sonntag in Hancock Park passiert ist. Wenn sie das endlich geschafft hat und dort oben in Port Townsend ein halbwegs normales Leben führt, hat sie vielleicht keine Lust, alte Wunden wieder aufzukratzen, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Nicht einmal für ihre Schwester?«
    »Nicht unbedingt. Das liegt inzwischen vierundzwanzig Jahre zurück.«
    McPherson schwieg eine Weile, bevor sie antwortete.
    »Dann siehst du das aber sehr zynisch, Harry. Wann willst du nach Washington rauffahren?«
    »Sobald ich hier los kann. Aber vorher muss ich noch sehen, dass ich meine Tochter irgendwo unterbringe. Als ich nach San Quentin hochgefahren bin, um Jessup zu holen, hat eine Bekannte auf sie aufgepasst. Das fand sie allerdings nicht so berauschend, und jetzt muss ich schon wieder weg.«
    »Ach ja, so was kommt manchmal vor. Ich würde gern mitkommen.«
    »Das bekomme ich auch allein geregelt.«
    »Ich weiß, dass du es schaffst. Aber es kann vielleicht nicht schaden, eine Frau und Staatsanwältin dabeizuhaben. Ich gelange mehr und mehr zu der Überzeugung, dass sie bei der ganzen Sache die Schlüsselrolle einnimmt, und sie wird meine Zeugin sein. Deshalb ist sehr wichtig, wie wir mit ihr Kontakt aufnehmen.«
    »Ich nehme schon seit dreißig Jahren Kontakt mit Zeugen auf. Ich glaube, ich …«
    »Soll doch unsere Reisestelle die Flüge und alles buchen. Dann können wir gemeinsam fahren. Und unterwegs unser Vorgehen absprechen.«
    Bosch überlegte kurz. Er merkte, es wäre ihr nicht auszureden.
    »Na schön, meinetwegen.«
    »Gut. Ich sage Mickey Bescheid und rufe in der Reisestelle an. Wir nehmen einen frühen Flug. Ich habe morgen keine wichtigen Termine. Oder ist dir das zu früh? Ich würde nur sehr ungern bis nächste Woche warten.«
    »Irgendwie bekomme ich das schon hin.«
    Eigentlich hatte Bosch einen dritten Grund gehabt, sie anzurufen, doch jetzt beschloss er, vorerst noch nicht damit herauszurücken. Angesichts der Art, wie sie sich die

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