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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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selbst ist keine große Sache, ganz kurz und schmerzlos. Sie dient nur dazu, einen Prozesstermin festzusetzen. Damit hat es sich. Aber Mr. Hellman, der Staatsanwalt, sagt, das Angebot, das er Ihnen gemacht hat, gilt nur noch heute. Wenn wir Richterin Champagne also heute sagen, wir wollen vor Gericht gehen, dann wird nichts aus dem Deal, und es gibt einen Prozess. Haben Sie sich darüber noch ein bisschen Gedanken gemacht?«
    Montgomery lehnte seinen Kopf gegen zwei Gitterstangen und sagte nichts. Ich merkte, er konnte sich nicht entscheiden. Er war siebenundvierzig und hatte bereits neun Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht. Er war wegen bewaffneten Raubüberfalls und schwerer Körperverletzung angeklagt und sah einer gesalzenen Strafe entgegen.
    Laut Aussagen der Polizei hatte sich Montgomery in einem Drive-through-Drogenhandel in der Sozialbausiedlung Rodia Gardens als Käufer ausgegeben. Aber statt zu zahlen, hatte er eine Pistole gezogen und den Stoff und das Geld des Dealers verlangt. Der Dealer versuchte, ihm die Waffe zu entreißen, und dabei löste sich ein Schuss. Jetzt saß der Dealer, ein Gangmitglied der Crips namens Darnell Hicks, für den Rest seines Lebens im Rollstuhl.
    Wie in dem Sozialbauviertel allgemein üblich, war niemand bereit, mit den Ermittlern zu kooperieren. Sogar das Opfer behauptete, sich nicht erinnern zu können, was passiert war, und verließ sich mit seinem Schweigen darauf, dass seine Crips-Kumpane Gerechtigkeit walten lassen würden. Aber die Ermittler verfolgten die Sache trotzdem weiter. Nachdem sie das Auto meines Mandanten auf den Überwachungsvideos einer am Eingang von Rodia Gardens angebrachten Kamera entdeckt hatten, machten sie das Fahrzeug ausfindig und konnten nachweisen, dass das Blut an der Autotür vom Opfer stammte.
    Die Beweislage war zwar nicht hundertprozentig wasserdicht, aber doch so solide, dass wir uns über das Angebot der Anklage Gedanken machen sollten. Ließ sich Montgomery auf den Deal ein, würde er zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen er wahrscheinlich zweieinhalb absitzen müsste. Wenn er es dagegen auf einen Prozess ankommen ließ und verurteilt wurde, musste er mit mindestens fünfzehn Jahren Gefängnis rechnen. Da es sich um einen Raubüberfall mit schwerer Körperverletzung und Schusswaffengebrauch handelte, konnte die Sache richtig haarig werden. Und aus Erfahrung wusste ich nur zu gut, dass Richterin Judith Champagne bei Straftaten in Zusammenhang mit Schusswaffengebrauch keinen Spaß verstand.
    Ich hatte meinem Mandanten empfohlen, sich auf den Deal einzulassen. Für mich war das überhaupt keine Frage, aber ich war natürlich auch nicht derjenige, der die Haftstrafe absitzen musste. Montgomery konnte sich nicht entscheiden. Das lag nicht so sehr an der Haftdauer. Es lag daran, dass das Opfer, Hicks, ein Crip war und der lange Arm dieser Gang in jedes kalifornische Gefängnis reichte. Da konnte sogar eine dreijährige Haft einem Todesurteil gleichkommen. Montgomery hatte Bedenken, ob er sie überleben würde.
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen raten soll«, sagte ich. »Es ist jedenfalls ein gutes Angebot. Der DA möchte damit nicht vor Gericht gehen. Er will kein Opfer in den Zeugenstand rufen, das dort nicht hinwill und seiner Sache möglicherweise mehr schadet als nützt. Deshalb ist er mit dem Strafmaß so weit runtergegangen, wie er kann. Aber die Entscheidung liegt bei Ihnen. Sie hatten zwei Wochen Zeit, um es sich zu überlegen, und jetzt ist es so weit. In ein paar Minuten müssen wir da raus.«
    Montgomery versuchte, den Kopf zu schütteln, aber seine Stirn war zwischen die zwei Gitterstangen gedrückt.
    »Was heißt das?«, fragte ich ihn.
    »Gar nichts heißt es. Können wir diesen Prozess nicht gewinnen, Mann? Wo Sie doch jetzt Staatsanwalt sind. Können Sie da kein gutes Wort für mich einlegen?«
    »Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, Cash. So etwas kann ich nicht machen. Sie haben die Wahl. Nehmen Sie die drei Jahre, oder wir lassen es auf einen Prozess ankommen. Und wie ich Ihnen bereits erklärt habe, stehen wir bei einem Prozess sicher nicht auf verlorenem Posten. Sie haben keine Tatwaffe und ein Opfer, das nichts über den Hergang erzählen will, aber da sind sein Blut an Ihrer Autotür und eine Videoaufnahme von Ihnen, wie Sie unmittelbar nach den Schüssen aus Rodia wegfahren. Wir können versuchen, es so darzustellen, wie Sie sagen, dass es war. Notwehr. Sie waren dort, um Stoff zu kaufen, und er

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