Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
Freeway, auf dem man nicht schneller zum Flughafen kam. Deshalb nahm er die Highland Avenue nach Hollywood und bog auf den La Cienega Boulevard ein, auf dem sich der gesamte Verkehr durch das Nadelöhr an den Ölfeldern von Baldwin Hills zwängte, so dass sein ganzes Zeitpolster draufging. Dann nahm er den La Tijera Boulevard, und als er endlich am Flughafen ankam, musste er in einem der teuren Parkhäuser in unmittelbarer Nähe des Terminals parken, weil er nicht mehr genügend Zeit hatte, um von einem der weiter entfernten günstigen Parkplätze den Shuttlebus zu nehmen.
Nachdem er am Schalter die Formulare für Angestellte von Strafverfolgungsbehörden ausgefüllt hatte und von einem TSA -Mann durch die Sicherheitskontrollen begleitet worden war, traf er endlich auf dem Flugsteig ein, wo gerade die letzten Passagiere an Bord seiner Maschine gingen. Er schaute sich nach McPherson um, und weil er sie nirgendwo sah, nahm er an, dass sie bereits in der Maschine saß.
Er ging an Bord und absolvierte das obligatorische Begrüßungszeremoniell. Er meldete sich im Cockpit, zeigte seine Dienstmarke und schüttelte den Piloten die Hand. Dann machte er sich auf den Weg in den hinteren Teil der Maschine. Ihre Sitze waren auf Höhe der Notausgänge am Mittelgang. McPherson saß bereits auf ihrem Platz und hielt einen hohen Starbucks-Becher in der Hand. Offenkundig war sie zeitig zum Flughafen gekommen.
»Ich dachte schon, du schaffst es nicht mehr rechtzeitig«, sagte sie.
»War auch ganz schön knapp. Wie hast du es so früh zum Flughafen geschafft? Du hast doch auch eine Tochter.«
»Ich habe sie gestern Abend Mickey vorbeigebracht.«
Bosch nickte.
»Direkt an den Notausgängen, nicht schlecht. Was habt ihr für eine Reisestelle?«
»Sie sind richtig auf Zack. Deshalb wollte ich die Flüge auch über sie buchen. Wir schicken die Rechnung ans LAPD .«
»Na, dann mal viel Glück.«
Um genügend Platz zu haben und die Beine ausstrecken zu können, verstaute Bosch seine Tasche im Gepäckfach. Nachdem er sich angeschnallt hatte, sah er, dass in der Sitztasche vor McPherson zwei dicke Ordner steckten. Er hatte nichts zur Hand, um sich vorzubereiten. Seine Akten waren in seiner Reisetasche, aber er hatte keine Lust, sie herauszuholen. Er zog sein Notizbuch aus der Gesäßtasche und wollte sich gerade über den Mittelgang beugen, um McPherson eine Frage zu stellen, als eine Flugbegleiterin auf ihn zukam und sich zu ihm herabbeugte, um ihn flüsternd zu fragen:
»Sie sind doch der Detective, oder?«
»Äh, ja. Gibt es …«
Bevor er den Dirty-Harry-Spruch zu Ende sagen konnte, teilte ihm die Flugbegleiterin mit, dass ihm ein freier Platz in der ersten Klasse zugeteilt worden sei.
»Das ist zwar sehr nett von Ihnen und vom Kapitän, aber das geht leider nicht.«
»Sie müssen keinen Aufpreis zahlen. Es ist …«
»Nein, daran liegt es nicht. Aber ich bin mit dieser Dame hier unterwegs, und sie ist meine Chefin, und ich – das heißt wir – müssen über unser Ermittlungsverfahren sprechen. Sie ist Staatsanwältin.«
Die Flugbegleiterin brauchte eine Weile, um seine Erklärung zu begreifen. Dann nickte sie und sagte, sie werde noch mal ins Cockpit gehen und mit dem Kapitän Rücksprache halten.
»Und ich dachte schon, es gäbe keine Kavaliere mehr«, sagte McPherson. »Du hast meinetwegen auf einen Platz in der ersten Klasse verzichtet.«
»Eigentlich hätte ich ihr sagen sollen, sie soll ihn dir geben. Das hätte sich für einen echten Kavalier gehört.«
»Oh-oh, da kommt sie wieder.«
Bosch schaute den Mittelgang hinauf. Die Flugbegleiterin kam lächelnd auf sie zu.
»Wir setzen ein paar Leute um, damit Sie nebeneinandersitzen können. Kommen Sie bitte mit.«
Sie standen auf, und Bosch nahm seine Reisetasche aus dem Gepäckfach, bevor er McPherson nach vorn folgte. Sie blickte sich nach ihm um und sagte lächelnd: »Mein rostiger Ritter.«
»Tja«, brummte Bosch.
Ihre neuen Plätze waren in der ersten Reihe. McPherson nahm den am Fenster. Kurz nach ihrem Umzug startete die Maschine zu ihrem dreistündigen Flug nach Seattle.
»Übrigens«, sagte McPherson, »Mickey hat mir erzählt, unsere Tochter hat deine Tochter noch gar nicht kennengelernt.«
Bosch nickte.
»Ja, das sollten wir vielleicht mal ändern.«
»Unbedingt. Soviel ich mitbekommen habe, sind sie sogar gleich alt. Du und Mickey, ihr beide habt euch doch schon Fotos gezeigt, und sie sehen sich sogar ähnlich.«
»Na ja, ihre Mutter sah ein
Weitere Kostenlose Bücher