Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
Nun lässt sich nicht leugnen, dass Jessups Aktivitäten darauf hindeuten, dass er weiß, was sich an diesen Stellen, die er spätnachts aufsucht, unter der Erde befindet. Aber beweist das auch, dass er dafür verantwortlich ist? Wohl kaum. Wir könnten Anklage gegen ihn erheben, das ja, aber er könnte, basierend auf dem, was wir im Moment wissen, eine Vielzahl von Begründungen zu seiner Entlastung vorbringen. Würdest du das auch so sehen, Michael?«
    Haller beugte sich vor und nickte.
    »Angenommen, wir graben dort und finden die sterblichen Überreste eines dieser Mädchen. Selbst wenn wir eine Identifizierung vornehmen können – was ich für höchst fraglich halte –, haben wir noch keinerlei Beweise, um Jessup mit ihrem Tod in Verbindung zu bringen. Alles, was wir gegen ihn vorbringen können, ist, dass er die Begräbnisstelle kennt. Das ist natürlich nicht unerheblich, aber genügt es, um damit vor Gericht zu gehen? Also, ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, dass ich in diesem Fall lieber Verteidiger wäre als Staatsanwalt. Meiner Meinung nach hat Maggie recht. Er könnte alle möglichen Begründungen anführen, weshalb er die Begräbnisstellen kannte. Er könnte einen Strohmann erfinden – jemand anderen, der die Morde begangen hat und ihm davon erzählt hat oder ihn gezwungen hat, an den Begräbnissen teilzunehmen. Jessup hat vierundzwanzig Jahre im Gefängnis gesessen. Mit wie viel anderen Häftlingen hatte er in dieser Zeit zu tun? Mit tausend? Zehntausend? Wie viele von ihnen waren Mörder? Er könnte das Ganze einem von ihnen anlasten und behaupten, er hätte im Gefängnis von diesen Gräbern gehört und beschlossen, sie aufzusuchen und für die Seelen der Opfer zu beten. Er könnte alles Mögliche erzählen.«
    Er schüttelte wieder den Kopf.
    »Tatsache ist, es gibt jede Menge Möglichkeiten, sich gegen so etwas zu verteidigen. Solange wir keinerlei konkrete Beweise haben, die ihn oder einen Zeugen mit den Morden in Verbindung bringen, stehen unsere Chancen ziemlich schlecht.«
    »Vielleicht finden sich in den Gräbern irgendwelche Beweise, mit deren Hilfe sich ein Zusammenhang herstellen lässt«, führte Bosch an.
    »Das ist natürlich möglich«, erwiderte Haller. »Aber was, wenn nicht? Wer weiß, vielleicht gelänge es dir sogar, Jessup ein Geständnis zu entlocken. Obwohl ich auch das bezweifle.«
    An dieser Stelle übernahm wieder McPherson.
    »Michael hat den kritischen Punkt bereits angesprochen, die Überreste. Können sie überhaupt identifiziert werden? Lässt sich feststellen, wie lange sie sich dort schon im Boden befinden? Dabei dürft ihr vor allem eins nicht vergessen: Jessup hat für die letzten vierundzwanzig Jahre ein bombensicheres Alibi. Wenn wir also dort oben irgendwelche Knochen ausgraben und nicht mit Sicherheit sagen können, dass sie dort mindestens seit ’86 verscharrt sind, käme Jessup frei.«
    Haller stand auf, ging zum Whiteboard und nahm einen Stift von der Ablage. Damit zeichnete er zwei nebeneinanderliegende Kreise auf die Tafel.
    »Das ist, was wir bisher haben. Ein Kreis ist unser Fall, und der andere ist diese neue Geschichte, von der du uns gerade erzählt hast, Harry. Die beiden haben nichts miteinander zu tun. Da ist zum einen der Prozess, der in Kürze beginnt, und hier sind deine neuen Ermittlungen. Wenn sie sauber voneinander getrennt bleiben, stellt das Ganze kein Problem für uns dar, dann haben deine Ermittlungen keinerlei Auswirkung auf unseren Prozess. Und deshalb müssen wir die Kreise getrennt voneinander halten. Verstehst du?«
    »Klar.« Bosch nickte.
    Haller nahm einen Lappen von der Ablage und wischte die zwei Kreise von der Tafel. Dann zeichnete er zwei neue Kreise darauf, aber diesmal schnitten sie sich.
    »Wenn du aber jetzt hergehst und dort oben zu graben anfängst und Knochen findest, passiert Folgendes: Unsere zwei Kreise sind miteinander verbunden. Und das ist der Punkt, an dem deine Sache auch unsere Sache wird, und dann müssen wir es der Verteidigung und dem Rest der Welt offenlegen.«
    McPherson nickte bestätigend.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Bosch. »Lassen wir es einfach fallen?«
    »Nein, fallen lassen wir es nicht«, sagte Haller. »Wir sind nur vorsichtig und halten es voneinander getrennt. Weißt du übrigens, was generell als die beste Prozessstrategie gilt? Alles immer so einfach wie möglich. Keine unnötigen Komplikationen. Wir lassen die Kreise schön voneinander getrennt und ziehen vor Gericht und

Weitere Kostenlose Bücher