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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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richtig zu machen.«
    Das saß. Es wäre weniger schmerzhaft gewesen, wenn sie mich, wie sie das sonst tat, heruntergeputzt hätte. Doch die passiv-aggressive Tour traf mich immer tiefer. Und wahrscheinlich wusste sie das.
    »Zur nächsten komme ich bestimmt«, sagte ich. »Ehrenwort.«
    Sie entgegnete nicht sarkastisch:
Klar, Haller
oder:
Den Spruch kenne ich doch.
Und das machte es irgendwie schlimmer. Stattdessen kam sie sofort zur Sache.
    »Was ist das?«
    Sie deutete mit dem Kopf auf den Schriftsatz vor mir.
    »Das ist Clive Royce’ letzte Hoffnung. Ein Antrag, Sarah Ann Gleasons Zeugenaussage nicht zuzulassen.«
    »Und natürlich reicht er ihn an einem Freitagnachmittag ein. Drei Wochen vor Prozessbeginn.«
    »Siebzehn Tage, um genau zu sein.«
    »Oh, Entschuldigung. Mit welcher Begründung?«
    Ich drehte den Schriftsatz herum und schob ihn ihr über den Schreibtisch zu. Er wurde von einer großen schwarzen Klammer zusammengehalten.
    »Darauf hat er von Anfang an hingearbeitet, denn natürlich weiß er, dass letztlich alles von ihr abhängt. Sie ist unsere Hauptzeugin, und ohne sie ist das andere Beweismaterial nebensächlich. Selbst die Haare im Abschleppauto sind nur Indizien. Wenn er Sarah rauskegelt, können wir einpacken.«
    »Das ist mir alles klar. Aber wie versucht er, sie loszuwerden?«
    Sie begann, den Schriftsatz durchzublättern.
    »Er wurde um neun abgegeben und umfasst sechsundachtzig Seiten. Deshalb bin ich noch nicht dazugekommen, ihn vollständig durchzuarbeiten. Aber er geht zweigleisig vor. Er ficht die ursprüngliche Identifizierung an, die sie als Kind vorgenommen hat. Mit der Begründung, die Gegenüberstellung hätte suggestiven Charakter gehabt. Und er …«
    »Dieser Vorwurf wurde bereits vorgebracht und beim ersten Prozess zurückgewiesen, und daran hat auch die Revision nicht gerührt. Damit verschwendet er nur seine Zeit.«
    »Deshalb versucht er es diesmal ja auch auf eine andere Tour. Wie du weißt, hat Kloster Alzheimer und ist als Zeuge nicht mehr zu gebrauchen. Er kann uns weder etwas über die Ermittlungen erzählen noch sich selbst verteidigen. Deshalb will Royce diesmal Kloster unterstellen, er hätte Sarah gesagt, welchen Mann sie identifizieren sollte. Dass er sozusagen mit dem Finger auf Jessup gezeigt hat.«
    »Und worauf will er diese Behauptung stützen? Angeblich waren nur Sarah und Kloster in dem Zimmer.«
    »Keine Ahnung. Eigentlich gibt es nichts, womit er es untermauern könnte, aber ich vermute, er wird darauf herumreiten, dass Kloster seinen Leuten über Funk gesagt hat, sie sollten Jessup die Mütze abnehmen lassen.«
    »Das spielt doch alles keine Rolle. Eigentlich diente die Gegenüberstellung dazu, festzustellen, ob Sarah den anderen Fahrer, Derek Wilbern, identifizieren könnte. Der Vorwurf, Kloster hätte Sarah gesagt, auf Jessup zu deuten, ist vollkommen absurd. Diese Identifizierung kam total unerwartet, und sie war absolut glaubhaft und in keiner Weise beeinflusst. Deswegen brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Das schmettern wir auch ohne Kloster ab.«
    Ich wusste, dass sie recht hatte, aber es war nicht die erste Attacke, die mir Sorgen machte.
    »Das ist nur seine Eröffnungssalve«, sagte ich. »Im Vergleich zu dem, was danach kommt, ist das nichts. Er legt es darauf an, ihre gesamte Aussage nicht zuzulassen, und als Begründung wird er anführen, dass auf ihre Erinnerungen kein Verlass ist. Er hat in seinem Schriftsatz ihre gesamte Drogenvergangenheit aufgeführt; wie es scheint, bis auf das letzte Gramm Meth, den sie jemals geraucht hat. Er hat Festnahmeprotokolle, Gefängnisunterlagen, Zeugen, die ihren Drogenkonsum bestätigen, Sex mit mehreren Partnern und ihren, wie sie es nennen, Glauben an außerkörperliche Erfahrungen – diesen Punkt hat sie wahrscheinlich in Port Townsend zu erwähnen vergessen. Und um das Maß voll zu machen, will er auch noch ein paar Experten für Gedächtnisverlust und Pseudoerinnerungen als Folgeerscheinung von Meth-Abhängigkeit auffahren. Verstehst du jetzt, was das, alles in allem, heißt? Es heißt, er hat uns am Arsch.«
    Maggie reagierte nicht, sondern überflog weiter die Zusammenfassung am Ende von Royce’ Schriftsatz.
    »Er hat hier und oben in San Francisco Ermittler«, fügte ich hinzu. »Das ist alles gründlich und erschöpfend recherchiert, Mags. Und weißt du was? Wie es aussieht, war er noch nicht mal in Port Townsend, um mit ihr zu reden. Er gibt damit zu verstehen, dass er das gar nicht nötig

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