Harry Dresden 08 - Schuldig
„Ist doch sowieso zwecklos. Wie dumm von mir, tatsächlich anzunehmen, du wärst bereit, einfach nur mit mir zu reden, statt mir zu sagen, wie ich mein Leben zu führen habe.“
„Ich kann nicht im Mindesten sehen, weshalb ich darin falsch liegen sollte, wenn du nicht die geringste Ahnung hast, was du tust. Sieh dich nur an! Du siehst aus … wie eine Wilde!“
Mein Mund redete rein aus Reflex los. „Natürlich, eine Wilde. Vom berühmten chromschädeligen cahokianischen Gruftstamm!“
Michael zuckte zusammen.
Der Blick, den Charity mir zuwarf, hätte kleine Tiere sofort mit einem Herzinfarkt dahingerafft und Zimmerpflanzen verdorren lassen. „Entschuldigen Sie, Mister Dresden“, fauchte sie abgehackt. „Ich kann mich nicht erinnern, mit Ihnen geredet zu haben.“
„Tut mir leid“, sagte ich und bedachte sie mit meinem süßesten Lächeln. „Ignorieren Sie mich einfach, ich habe nur laut gedacht.“
Molly drehte sich um, um mir ebenfalls einen missvergnügten Blick zuzuwerfen, doch ihr Funkeln war nur ein blasser Abklatsch des Todesblickes ihrer Mutter. „Ich habe es nicht nötig, dass du mich verteidigst.“
Charitys Aufmerksamkeit wandte sich nun wieder vollständig ihrer Tochter zu. „Solange du unter diesem Dach bist, junge Dame, wirst du mit keinem Erwachsenen in diesem Tonfall reden!“
„Kein Problem“, keifte Molly zurück, machte auf dem Absatz kehrt und öffnete die Tür. Michael streckte ohne erkennbare Anstrengung die Hand aus und donnerte die Tür mit einem lauten Krachen zu.
Plötzlich wurde es still im Hause Carpenter. Sowohl Molly als auch Charity starrten Michael vollkommen bestürzt an.
Michael atmete tief ein und sagte dann: „Meine Damen. Ich versuche ja, mich aus diesen Diskussionen herauszuhalten, aber es macht allen Anschein, als würde die Unterhaltung an diesem Abend nichts dazu beitragen, die Differenzen, die wir hatten, aus der Welt zu schaffen.“ Er sah zwischen beiden hin und her, und seine Stimme wurde unnachgiebiger als das Fundament eines Berges, auch wenn sie nach wie vor sanft blieb. „Ich habe zwar nicht das Gefühl, dass ich lange wegbleiben werde“, fuhr er fort, „doch man kann nie wissen, welche Pläne Er hat. Oder wie viel Zeit jedem von uns noch gegeben ist. Dieses Heim ist schon zu lange in Aufruhr. Dieser Disput tut allen weh. Findet einen Weg, eure Auseinandersetzungen beizulegen, bis ich wieder zurück bin.“
„Aber …“, begann Molly.
„Molly“, sagte Michael, und sein Tonfall war streng. „Sie ist deine Mutter. Sie verdient, dass du ihr mit Respekt und Höflichkeit begegnest. Zumindest für die Dauer dieser Aussprache wirst du genau das tun.“
Molly schob ihr Kinn vor, doch sie wandte den Blick von ihrem Vater ab. Er starrte sie eine Weile unverwandt ab, bis sie ihm zunickte.
„Danke“, sagte er. „Ich wünsche mir, dass ihr euch beide Mühe gebt, all den Zorn zur Seite zu schieben und miteinander zu reden. Bei Gott, meine Damen, ich werde jetzt nicht ausziehen, dem Ruf zu folgen, nur um nach Hause zurückzukehren, wo mich noch mehr Uneinigkeit und Streit erwarten. Davon habe ich schon genug, wenn ich fort bin.“
Charity sah ihn noch etwas länger fest an und sagte dann: „Aber Michael … du wirst doch jetzt nicht einfach gehen. Nicht wenn …“ Sie zeigte mit einer vagen Handbewegung auf mich. „Es wird Ärger geben.“
Michael trat zu seiner Frau und küsste sie sanft. Dann meinte er: „Hab Vertrauen, meine Liebe.“
Sie schloss die Augen und wandte nach dem Kuss den Blick von ihm ab. „Bist du sicher?“
„Ich muss los“, sagte er mit stiller Überzeugung. Er berührte sanft ihr Gesicht und wandte sich dann an mich. „Harry, würdest du mich zum Wagen begleiten?“
Dem kam ich nur zu gerne nach. „Danke“, sagte ich, sobald wir aus dem Haus getreten waren. „Bin ich froh, da raus zu sein. Die Luft konnte man vor lauter Anspannung schneiden.“
Michael nickte. „Es war ein ziemlich langes Jahr.“
„Was ist denn in die beiden gefahren?“, fragte ich.
Michael warf den Waffenbehälter und seine Tasche auf die Ladefläche seines weißen Pick-ups. „Man hat Molly verhaftet. Wegen Drogenbesitzes.“
Ich blinzelte ihn an. „Welcher Teufel hat sie denn da geritten?“
Er seufzte und sah mich an. „Marihuana und Ecstasy. Sie war auf einer Party, und es gab eine Polizeirazzia. Man hat sie mit dem Zeug erwischt.“
„Wow“, sagte ich mit schwacher Stimme. „Was ist dann passiert?“
„Sozialdienst“,
Weitere Kostenlose Bücher