Harry Dresden 09: Weiße Nächte
zu erregen.
Fakt vier: Thomas hatte mich nicht eingeweiht, auch wenn er sich der mörderischen Absichten seiner Mitvampire des Weißen Hofes bewusst war.
Fakt fünf: Die Opfer waren Frauen mit magischem Talent, im Großen und Ganzen zumindest.
Fakt sechs: Vampire existierten sehr, sehr lange.
Fakt sieben: Auf einem ganzen Friedhof voller Leichen magisch minderbegabter Opfer lag auch ein normales, hübsches, junges Mädchen namens Jessica Blanche. Ihre einzige Verbindung zu den anderen war Helen.
Fakt acht: Helen arbeitete für Marcone.
Fakt neun: Ich mochte Marcone nicht. Ich glaubte ihm nicht. Ich traute ihm nicht weiter, als ich ihn treten konnte. Daraus hatte ich niemals einen Hehl gemacht. Marcone wusste das.
„Verdammte Scheiße“, murmelte ich. Die Dinge wandelten sich immer von schlimm zu beschissen, wenn Marcone darin verwickelt war, und natürlich war ich der Meinung, dass das Gefahrometer gerade nach oben geschnalzt war.
Ich lag falsch. Wirklich, wirklich falsch.
Ich brauchte die Antwort auf eine Frage, um sicherzugehen, was ablief, selbst wenn ich mir verdammt sicher war, was diese Antwort sein würde – das einzige Problem lag darin, festzustellen, ob die Antwort der Wahrheit entsprach oder nicht.
Ich konnte mir nicht leisten, das jetzt zu vermasseln.
„Helen“, flüsterte ich. „Wenn Ihnen das recht ist, würde ich gerne mit Ihnen unter vier Augen sprechen.“
Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie atmete tief ein und seufzte dann herzhaft und befriedigt.
„Sie müssen nicht, wenn Sie es nicht wünschen“, sagte Marcone. „Ich reagiere extrem ungehalten, wenn jemand meine Angestellten bedroht oder ihnen Schaden zufügt. Dresden ist sich dessen bewusst.“
„Nein“, antwortete Helen. „Es ist schon in Ordnung.“
Ich schielte zur Seite. „Murph …“
Sie sah nicht gerade glücklich aus, nickte aber und sagte: „Ich warte draußen.“
„Danke.“
Murphy ging verfolgt von Hendricks bösem Blick nach draußen. Marcone erhob sich auch und ging, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Hendricks verließ den Raum als Letzter und zog die Tür hinter sich ins Schloss.
Helen strich mit den Fingerspitzen leicht über die Perlen ihres Halsbandes und ließ sich auf dem Sessel hinter dem Schreibtisch nieder. Dort machte sie einen gelassenen, arglosen Eindruck. „Nun gut.“
Ich nahm ihr gegenüber Platz und schüttelte den Kopf. „Jessica Blanche arbeitete für Sie“, sagte ich.
„Jessie …“ Helens tote Augen blickten kurz auf ihre gefalteten Hände. „Ja. Sie hat in meiner Nähe gewohnt. Ich habe sie manchmal zur Arbeit mitgenommen.“
Dabei musste Madrigal die beiden beobachtet haben – in der Öffentlichkeit, höchstwahrscheinlich nicht in ihrer „Berufsbekleidung“, und der Volltrottel hatte angenommen, Miss Blanche sei ein weiteres Mitglied des Ordos. Von dort an war es ihm sicher ein Leichtes gewesen, sich an das Mädchen heranzumachen, es mit seinem Inkubus-Charme zu umgarnen und in ein Hotelzimmer zu entführen, um Jessie etwas Spaß und einen ekstatischen Tod zu bereiten.
„Sie und Marcone“, sagte ich. „Das will mir nicht in den Kopf. Ich dachte, Sie hassen ihn. Hölle, Sie haben sich mit den Mächten der Finsternis eingelassen, haben geholfen, eine Droge zu erschaffen – haben dem Schattenmann geholfen, Leute umzubringen, um sich an ihm zu rächen.“
„Hass“, entgegnete sie, „und Liebe sind nicht so verschieden. Beide beziehen sich auf einander. Beide sind starke Empfindungen. Beide sind leidenschaftlich.“
„Ein Kuss und ein Mord sind das ebenfalls, wenn man es einmal aus diesem Blickwinkel betrachtet.“ Ich zuckte die Achseln. „Aber Sie sind jetzt hier und arbeiten für Marcone. Als Puffmutter.“
„Ich bin eine verurteilte Verbrecherin, Mister Dresden“, erwiderte sie. „Ich war es gewohnt, Konten mit einem Wert von hunderten Millionen Dollar zu verwalten. Ich war für einen Servierjob im Fast-Food-Schuppen nur schlecht geeignet.“
„Die Zeit im Knast hat Ihrem Lebenslauf gar nicht gut getan, hm?“
„Sie war nicht gerade ein erstrebenswertes Empfehlungsschreiben“, antwortete sie. Sie schüttelte den Kopf. „Meine Gründe, hier zu sein, gehen Sie nicht das Geringste an. Außerdem haben sie mit dem gegenwärtigen Fall nichts zu tun. Stellen Sie Ihre Fragen und verschwinden Sie.“
„Nachdem Sie sich heute von den anderen Mitgliedern des Ordos getrennt hatten“, fragte ich, „haben Sie diese auf dem
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