Harry Dresden 09: Weiße Nächte
Ghuls und teilte ihn an der Hüfte in zwei Hälften.
Die Hitzewoge schlug gegen die Steinwand hinter der Kreatur und wurde zurückgeworfen. Ich hob einen Arm, um mein Gesicht zu schützen und ließ meinen Stab fallen, um meine Hände in die Ärmel meines Staubmantels zurückziehen zu können. Ich schaffte es sogar, einen Großteil meiner Haut davor zu bewahren, diesem Inferno direkt ausgesetzt zu sein, aber es tat trotzdem höllisch weh. Zumindest erinnerte ich mich später daran. In diesem Augenblick war es mir egal.
Ich trat den wild zuckenden Unterleib des Ghuls in die Schwärze des Minenschachtes. Dann widmete ich meine Aufmerksamkeit der oberen Hälfte.
Das Blut des Ghuls war nicht rot, also verschmurgelte er braun und schwarz wie ein fast fertiger Burger, der in die Grillkohle fällt. Er wand sich und brüllte wie am Spieß, doch schaffte er es irgendwie, sich auf den Rücken zu drehen. Er hielt die Arme mit verzweifelt gespreizten Fingern hoch und schrie: „Gnade, Einzigartiger! Gnade!“
Sechzehn Jahre alt.
Großer Gott.
Ich starrte eine Sekunde auf ihn hinab. Ich wollte den Ghul nicht töten. Das war bei weitem nicht genug, um für seine Sünden zu büßen. Ich wollte ihn zerfleischen. Ich wollte sein Herz essen. Ich wollte ihn auf den Boden pressen und meine Daumen durch die Schweinsäuglein bis in sein Gehirn treiben. Ich wollte ihn mit Nägeln und Zähnen zerfetzen und sein madenzerfressenes Fleisch in sein Gesicht spucken, während er einem langen, qualvollen Todeskampf erlag.
Doch das Maß aller Gnade war nicht Harry.
Abermals beschwor ich das Höllenfeuer und knurrte den Zauber, den ich immer benutzte, um Kerzen anzuzünden. Durch das Höllenfeuer mit zusätzlichem Zündstoff versehen und durch meinen Zorn geleitet raste der Spruch auf den Ghul hinab, bohrte sich durch seine Haut und steckte dort Fett, Nerven und Sehnen in Flammen. Sie brannten und benutzen im Brennen den Ghul gleichsam als Wachs. Das Ding verlor vor Schmerz schier den Verstand.
Ich streckte eine Hand nach dem Ghul aus, packte ihn an den Resten seiner Robe, riss ihn hoch, bis er mit mir auf gleicher Augenhöhe war und ignorierte dabei die Rinnsale aus Flammen, die hier und da aus dem Inferno unter der Haut des Ghuls an die Oberfläche flackerten. Ich starrte in sein Gesicht. Dann zwang ich ihn, sich die Leichname anzusehen. Darauf drehte ich ihn wieder zu mir, und meine Stimme wa ein derart unmenschliches Knurren, dass ich mich beinahe selbst nicht verstanden hätte.
„Nie“, sagte ich zu dem Ghul. „Nie mehr.“
Dann warf ich ihn in den Schacht.
Kaum eine Sekunde später brach er vollständig in Flammen aus, da der Gegenwind bei seinem Sturz das Feuer in seinem Fleisch zusätzlich anfachte. Ich sah seinem Sturz zu, hörte, wie er vor Schmerz und Entsetzen aufbrüllte. Dann, weit unten, prallte er gegen etwas. Die Flammen reiften kurz zu einer grellen Feuersbrunst. Dann erstarben sie langsam. Ich konnte keine Einzelheiten mehr ausmachen, doch es machte nicht den Anschein, als rühre der Ghul sich noch.
Ich blickte rechtzeitig auf, um zu sehen, wie Ramirez durch die Bruchstücke der hölzernen Trennwand trat. Er musterte mich kurz, wie ich da über dem Minenschacht stand, während dunkler Rauch von meinem Staubmantel aufstieg, aus den Tiefen des Schachtes rotes Licht herauf sickerte und der Gestank von Schwefel schwer in der Luft hing.
Ramirez verschlug es selten die Sprache.
Er starrte mich einen Augenblick lang an. Dann huschte sein Blick zu den toten jungen Leuten hinüber. Er atmete in einem kurzen, gequälten Atemstoß aus. Seine Schultern sackten ein. Er sank auf ein Knie und wandte den Kopf von dem Anblick ab. „Dios.“
Ich hob meinen Stab auf und begann, in Richtung Lager zurückzumarschieren.
Ramirez holte mich nach ein paar Schritten ein. „Dresden“, sagte er.
Ich ignorierte ihn.
„Harry!“
„Sechzehn, Carlos“, antwortete ich. „Sechzehn, und er hatte sie weniger als acht Minuten in seiner Gewalt.“
„Harry, warte.“
„Was zur Hölle habe ich mir dabei gedacht?“, fauchte ich und trat in das Sonnenlicht hinaus. „Den Stab, den Sprengstock und den Großteil meiner Ausrüstung in dem verfluchten Zelt zu lassen. Wir sind im Krieg!“
„Wir hatten Sicherheitsvorkehrungen getroffen“, sagte Ramirez. „Wir sind schon seit zwei Tagen hier. Du hättest nie vorhersehen können, dass so etwas geschehen würde.“
„Wir sind Wächter. Wir sind dazu da, Menschen zu schützen. Ich hätte
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