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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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bereit sein müssen.“
    Er trat mir in den Weg und baute sich vor mir auf. Ich blieb stehen und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
    „Du hast recht“, sagte er. „Wir sind im Krieg. Menschen stoßen schlimme Dinge zu, selbst wenn niemand einen Fehler macht.“
    Ich erinnere mich nicht daran, ob es Absicht war, doch in den Runen meines Stabes begann erneut Höllenfeuer zu lodern.
    „Carlos“, flüsterte ich. „Geh mir aus dem Weg.“
    Er knirschte mit den Zähnen, hielt meinem Blick aber nicht länger stand. Er wandte sich zwar nicht ab, doch als ich an ihm vorbeirauschte, gab er sich keine Mühe zu versuchen, mich aufzuhalten.
    Im Lager konnte ich einen kurzen Blick auf Luccio erhaschen, die half, einen verwundeten Magierlehrling auf einer Trage fortzuschleppen. Sie schritt über eine funkelnde Linie aus Licht mitten in der Luft, einen Durchlass ins Niemalsland, und verschwand. Verstärkung war eingetroffen. Wächter mit Verbandskästen, Tragen und dem ganzen Kram waren vor Ort und gaben ihr Bestes, die Verletzen zu stabilisieren, um sie in Sicherheit zu bringen. Die Azubis sahen geschockt und halb betäubt aus der Wäsche – auf die zwei reglosen Gestalten, die nahe aneinander in der Nähe lagen und die von ihren Köpfen bis zu ihren Knien mit offenen Schlafsäcken bedeckt waren.
    Ich stürmte in die Schmiede und donnerte: „Forzare!“ Ich ließ all meinen Zorn in den Stoß aus purer Energie fließen, die ich den gefangenen Ghulen entgegenschleuderte.
    Der Zauber blies die verbliebene Mauer der Schmiede um und die beiden Ghule gut zwanzig Meter durch die Luft auf einen verhältnismäßig flachen Abschnitt der Straße. Ich ging ihnen nach. Ich hatte es nicht eilig. Ich hatte sogar Zeit, mir eine Kanne Orangensaft von einem der Frühstückstische zu besorgen und unterwegs ein paar Schlucke zu trinken.
    Vollkommene Stille hatte sich über die Bergflanke gelegt.
    Sobald ich die Ghule erreichte, bombte ein weiterer Energiestoß einen zwei Meter tiefen Krater in die sandige Erde. In diesen trat ich den menschenähnlicheren Ghul, und unter einigen weiteren Stößen brach der Krater um ihn herum ein und begrub ihn bis zum Hals.
    Dann beschwor ich Feuer und schmolz den Sand um den freiliegenden Schädel des Ghuls zu Glas.
    Er schrie und jammerte, was mir nicht im Mindesten naheging. Die reine Hitze des schmelzenden Sandes brannte seine Gesichtszüge weg, seine Augen, seine Lippen und Zunge, noch während dieses Trauma den Ghul dazu brachte, seine ursprüngliche Gestalt anzunehmen. Ich drehte die Kanne Orangensaft um. Saft klatschte auf den Kopf des Ghuls. Weiterer Saft traf zischend auf dem schmalen Band aus Glas um ihn herum auf. Ich ging ruhig weiter und ließ in einer konstanten Linie Orangensaft auf den Boden rinnen, bis ich in drei Metern Entfernung den riesigen Feuerameisenhügel erreicht hatte, in den einer unserer Azubis am ersten Tag im Camp Kabumm geplumpst war.
    Die ersten Kundschafter machten sich ohne viel Federlesens auf den Weg zum Ghul.
    Ich drehte mich in Richtung des zweiten Scheusals.
    Dieses duckte sich und verharrte regungslos. Das einzige Geräusch waren die durch die geschundene Kehle geflüsterten Schreie des anderen Ghuls.
    „Ich werde dich nicht töten“, versicherte ich dem Ghul äußerst ruhig. „Du darfst deinesgleichen eine Botschaft überbringen.“ Ich bohrte ihm das Ende meines Stabes in die Brust und funkelte zu ihm hinab. Kleine Schwefelschwaden spielten über dem hölzernen Schaft und über den verunstalteten Ghul. „Sag ihnen folgendes.“ Ich beugte mich näher heran. „Nie wieder. Sag ihnen das. Nie wieder. Oder ihr könnt euch nicht einmal in der Hölle vor mir verbergen.“
    Der Ghul kroch vor mir. „Einzigartiger! Einzigartiger!“
    Ich brüllte noch einmal auf und machte mich daran, den Ghul so hart zu treten, wie ich nur konnte. Das tat ich, bis er vor mir die Flucht ergriff und auf einem Bein und einem Arm mit linkischen Bewegungen in die Wüste kroch.
    Ich sah ihm nach, bis der verletzte Ghul verschwunden war.
    Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ameisen seinen Kumpel bemerkt. Ich stand eine Weile über der Kreatur und sah, was ich angerichtet hatte, ohne den Blick abzuwenden.
    Ich fühlte, dass Ramirez hinter mir stand. „Dios“, wisperte er.
    Ich schwieg.
    Augenblicke später fragte Ramirez: „Wie war das – wir sollen sie nicht hassen?“
    „Dinge ändern sich.“
    Ramirez bewegte sich nicht, und seine Stimme war derart leise, dass ich sie kaum verstehen

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