Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
Es handelte sich um einen alten Strick, der aus derselben Gegend stammte wie auch seine Münze. „Zweitens“, fuhr er fort, „würde ich gerne für fünf Minuten mit Dresden unter vier Augen sprechen.“
„Nehmen Sie’s mir nicht krumm, Nick“, brummte ich, „aber das sind so ziemlich genau fünf Minuten mehr, als ich gerne mit Ihnen verbringen würde.“
„Genau“, erwiderte er lächelnd. Es war die Art von Lächeln, die man in noblen Golfclubs, Aufsichtsratssitzungen oder bei Krokodilen zu sehen bekam. „Wir haben nie die Möglichkeit, uns einfach nur höflich zu unterhalten. Ich ergreife die Gelegenheit beim Schopf, ein wenig zu plaudern.“ Sein Arm wies auf das Gebäude um uns herum. „Ohne Verwüstungen, wenn Sie sich bitte im Zaum halten könnten.“
Ich sah ihn finster an.
„Mister Archleone“, sagte Kincaid, „bieten Sie eine Friedensverpflichtung an? Falls ja, wird das Archiv darauf pochen, dass Sie sie auch einhalten.“
„Es läge mir fern, etwas Derartiges anzubieten“, sagte Nikodemus, ohne seinen Blick von mir zu wenden. „Dresden würde so eine Verpflichtung in etwa so schätzen wie eine gefälschte Münze, und allein darauf kommt es hier an.“ Er breitete die Hände aus. „Eine Unterhaltung, Dresden. Fünf Minuten. Ich versichere Ihnen, wenn ich Ihnen Schaden hätte zufügen wollen, hätte mich selbst der Ruf, der dem Höllenhund vorauseilt …“ Er hielt kurz inne, um Kincaid mit offener Abscheu zu mustern. „… nicht einen Sekunde zögern lassen. Ich hätte Sie längst getötet.“
Kincaid schenke Nikodemus ein eisiges Lächeln, und die Luft zwischen den beiden kochte vor unterdrückter Feindseligkeit.
Ich hob eine Hand und sagte: „Immer langsam mit den jungen Pferden, Wild Bill. Ich rede mit ihm, und dann setzen wir uns alle an einen Tisch. Nett und gesittet.“
Kincaid sah zu mir herüber und zog eine buschige, blonde Braue hoch. „Sicher?“
Ich zuckte die Achseln.
„Na gut“, seufzte er. „Ich bin in fünf Minuten wieder da.“ Nach einer kurzen Pause fügte er noch an: „Wenn jemand von Ihnen beiden Kampfhandlungen außerhalb eines formellen Duells beginnt, stellt das eine Verletzung der Abkommen dar. Darüber hinaus werden sie dem Ruf und der Integrität des Archivs Schaden zugefügt haben – und ich werde mich persönlich darum kümmern, dass Sie diesen Schaden wieder gutmachen.“
Die Eiseskälte in seinem Blick war zum größten Teil auf Nikodemus gerichtet, doch ich bekam auch noch eine ordentliche Portion davon ab. Kincaid meinte es ernst, und ich hatte ihn schon in Aktion erlebt. Er war einer der grusligeren Leuten, die ich kannte; vor allem, weil er eine derart skrupellose und praktische Herangehensweise besaß, der weder sein Ego noch sein persönlicher Stolz im Wege standen, wie es in übernatürlichen Kreisen fast an der Regel zu sein scheint. Kincaid würde mir nicht in die Augen sehen, wenn er mich tötete, sollte er das je beschließen. Er würde mir mit größtem Vergnügen aus tausend Metern Entfernung eine Kugel in den Schädel jagen oder eine Autobombe in meinen Wagen schmuggeln und am nächsten Tag im Internet von meinem Tod lesen. Was auch immer der Job erforderte.
Diese Einstellung ist nicht gerade hilfreich, wenn man spektakuläre Wege ausknobelte, seine Feinde möglichst eindrucksvoll über die Klinge springen zu lassen, doch was ihr an Ästhetik mangelte, machte sie in Effizienz wieder wett. Marcone, um den es in diesem Schlamassel ja eigentlich ging, ging genauso vor, und es hatte ihn weit gebracht. Solche Männer zu verärgern zog extremste Gefahr nach sich.
Nikodemus stieß ein weiteres leises, charmantes Lachen aus. Er sah nicht aus, als hätte Kincaid ihn beeindruckt. Das war vielleicht gar nicht so schlecht. Zu großer Stolz konnte einen Mann ins Grab bringen.
Andererseits war Nikodemus höchstwahrscheinlich wirklich so ein zäher Hund, wenn ich mir überlegte, was ich ihn mit eigenen Augen bereits vollbringen hatte sehen.
„Lauf schon, Höllenhund“, sagte Nikodemus. „Die Ehre deiner Herrin ist durchaus sicher.“ Er hob die Hand wie zu einem Pfadfinderehrenwort. „Ich schwöre es.“
Vielleicht war das eine verdeckte Anspielung zwischen den beiden. Kincaids Augen blitzten kurz lodernd vor Wut auf, ehe sie erneut eisig wurden. Er nickte zuerst mir, dann Nikodemus auf genau dieselbe Weise zu und ging von dannen.
Ich war mir sicher, dass der Raum nicht wirklich dunkler und furchterregender wurde, als ich allein
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