Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
mit dem gefährlichsten Mann zurückblieb, der mir je über den Weg gelaufen war.
Aber es fühlte sich so an.
Nikodemus drehte sich erneut mit seinem Raubtierlächeln zu mir um, während sein Schatten über die Wände der Eingangshalle glitt. Umkreiste mich. Wie ein Hai.
„Also, Harry“, sagte er und trat näher zu mir. „Worüber sollen wir sprechen?“
29. Kapitel
S ie wollten doch eine Aussprache“ , sagte ich, „und nennen Sie mich ja nicht Harry. Meine Freunde nennen mich Harry.“
Er drehte die Handfläche einer Hand nach oben. „Wer behauptet, dass ich nicht Ihr Freund sein kann?“
„Ich, Nick. Ich sage das. Hier, bitte schön, ich zeige es Ihnen.“ Dann sagte ich langsam und extrem betont: „Sie können nicht mein Freund sein.“
„Wenn ich Sie jetzt mit Dresden ansprechen soll, wäre es nur gerecht, wenn Sie mich Archleone nennen.“
„Archleone?“, fragte ich. „Wie in ‚ e in brüllender Löwe, der sucht, welchen er verschlinge ‘ ? Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?“
Für eine halbe Sekunde schien sein Lächeln aufrichtig zu sein. „Für einen gottlosen Heiden sind Sie ein wenig zu sehr mit der Geschichte der Bibel vertraut. Sie wissen, dass ich Sie umlegen könnte, oder etwa nicht?“
„Wir würden eine ziemliche Sauerei anrichten“, gab ich zu bedenken, „und wer weiß, vielleicht habe ich ja auch Glück.“
Jede Menge unverschämtes Glück.
Nikodemus machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand. „Doch wenn man von Glück einmal absieht …“
„Ja“, sagte ich.
„Trotzdem erlauben Sie sich eine solche Frechheit?“
„Gewohnheit“, seufzte ich. „Bilden Sie sich nicht zu viel darauf ein. Das macht nicht zu etwas Besonderem oder so, glauben Sie mir.“
„Oh, ich habe also doch die richtige Münze für Sie ausgesucht.“ Er begann, mich in kleinen Kreisen zu umrunden, etwa wie Sie ein Auto beim Gebrauchtwagenhändler umrunden würden. „Es geht das Gerücht, ein gewisser Wächter schleudere Höllenfeuer auf seine Widersacher. Wie gefällt es Ihnen?“
„Ich würde es vorziehen, wenn es das auch in der Duftnote ‚Frische Tannennadeln’ und nicht nur ‚Faulige Eier’ gäbe“, entgegnete ich.
Nikodemus hatte seinen Rundgang vollendet und musterte mich mit hochgezogener Braue. „Sie haben die Münze nicht genommen.“
„Hätte ich ja, aber sie liegt in meinem Sparschwein“, klagte ich, „und das kann ich nun wirklich nicht zerdeppern. Dazu ist es zu schnuckelig.“
„Lasciels Schatten scheint an Einfluss zu verlieren“, meinte Nikodemus mit einem Kopfschütteln. „Er hatte Jahre, Sie zur Vernunft zu bringen, und Sie weigern sich immer noch.“
„Was wäre mit dem süßen Ringelschwänzchen und den großen, traurigen Augen?“, fuhr ich fort, als hätte er nicht das Geringste gesagt.
Einer seiner Absätze krachte mit unnötiger Wucht auf den Marmorboden, und er blieb stehen. Er atmete durch die Nase ein und aus. „In jedem Fall die richtige Münze für Sie.“ Er faltete die Hände hinter dem Rücken. „Dresden, Sie haben ein etwas schiefes Bild von uns. Seit wir uns das erste Mal getroffen haben, reden wir nun schon aneinander vorbei, und alles, was Sie über uns wissen, stammt von Carpenter und seinen Kampfgefährten. Die Kirche hatte schon immer eine erstklassige Propagandaabteilung.“
„Na ja, wenn man es genau nimmt, sprechen Mord, Folter und Zerstörung, die Sie immer hinterlassen, auch ohne Einflüsterungen von außen eine ziemlich deutliche Sprache.“
Nikodemus verdrehte die Augen. „Dresden, bitte. Sie haben sich doch auch schon Ähnliches zuschulden kommen lassen. Der arme Cassius hat mir erzählt, was Sie ihm im Hotel angetan haben.“
„Donnerwetter“, antwortete ich grinsend. „Wenn uns jetzt jemand hören könnte, würde ich puterrot anlaufen.“
Er starrte mich kurz an, und jegliches Gefühl und jeglicher Ausdruck schwanden aus seinen Zügen wie ein Tautropfen, der unter der Wüstensonne verdunstet. Außer wahrer Trostlosigkeit und Öde blieb nichts zurück. „Dresden“, wisperte er so leise, dass ich ihn um ein Haar nicht verstanden hätte. „Ich bewundere Ihre Starrköpfigkeit angesichts der höheren Mächte, denen Sie gegenüberstehen. Die habe ich immer schon bewundert. Aber tempus fugit. Für uns alle.“
Ich blinzelte entgeistert.
Für uns alle? Was meinte er damit?
„Haben Sie nicht die Fingerzeige um Sie herum bemerkt?“, fragte Nikodemus. „Wesen, die sich anders verhalten, als es
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