Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
konnte, die auf sie herabsah. Gards Hand fuhr in die Tasche ihres Kostüms und zog eine schmale Holzschachtel hervor, so eine, die man mit sauteuren Füllfedersets mitgeliefert bekommt, und fingerte dann ein rechteckiges Plättchen aus der Schachtel. Abermals sah sie Mab direkt an, hob das Plättchen und zerbrach es in zwei Hälften.
Die Schneeskulptur brach in sich zusammen und verschwand.
„Die haben die versteckte Kamera entdeckt“, vermutete ich.
„Innerhalb ihrer Grenzen ist die Erwählerin geschickt und schlau“, antwortete Mab. „Der Baron tat gut daran, sich ihrer Dienste zu versichern.“
Ich sah zu Mab auf. „Was ist geschehen?“
„Für einige Augenblicke war jegliche Sicht geblendet, und danach dies.“
Mit einer weiteren Geste formte sich das Gebäude erneut – doch diesmal stellten kleine Frostwölkchen dicken Rauch dar, der das Haus einhüllte und viele Details unter seinem Schleier verbarg. Das gesamte Bild erschien irgendwie verschwommener, unschärfer, als ob Mab Schneeflocken gewählt hätte, die zu grobkörnig waren, um genaue Einzelheiten widerzuspiegeln.
Dennoch konnte ich Marcone erkennen, der aus der Vordertür des Hauses stolperte. Mehrere Gestalten hetzten ihm hinterher. Sie kreisten ihn ein. Ein Lieferwagen erschien aus der Nacht, und er wurde durch die Seitentüren gestoßen. Dann stiegen auch die Gestalten ein und waren verschwunden.
Der Lieferwagen startete, das Gebäude erbebte, stürzte ein und ergoss sich in Trümmern auf die Straße, die ich selbst gesehen hatte.
„Ich habe dich auserwählt, als mein Gesandter zu fungieren“, sagte Mab zu mir. „Damit wirst du einen Gefallen abbezahlen, den du mir schuldest. Du wirst den Baron ausfindig machen.“
„Zum Geier damit“, knurrte ich, bevor ich diesen Reflex zügeln konnte.
Mab frohlockte kehlig. „Doch, das wirst du, Magierkind, und falls du weiter am Leben zu bleiben wünscht, hast du nicht die geringste Wahl.“
Zorn flackerte in meiner Brust auf und stieß auf dem Weg zu meinem Mund mein Hirn unsanft aus dem Weg. „Das war nicht unser Handel“, blaffte ich. „Unser Abkommen hat ganz klar festgelegt, dass ich selbst aussuchen kann, welche Gefallen ich Euch erstatte und dass Ihr mich nicht zwingen würdet.“
Mabs frostklirrende Beerenlippen verzogen sich zu einem lautlosen Knurren, und die Welt verwandelte sich in einen Vorhang blendendweißer Agonie, die sich vor meine Augen legte. Noch nie hatte mir etwas solche Schmerzen zugefügt. Ich fiel zu Boden, doch ich hatte nicht das Glück, mir den Schädel so anzudonnern, dass ich das Bewusstsein verlor. Ich konnte mich nicht rühren. Ich konnte noch nicht mal schreien.
Dann fühlte ich etwas Kaltes neben mir, und etwas äußerst Sanftes und Eisiges berührte mein Ohr. Ich erkannte das Gefühl trotz meiner Schmerzen wieder. Lippen. Mabs Lippen. Die Königin der Luft und Dunkelheit bedeckte den äußeren Rand meines Ohres mit einer Reihe zarter Küsse, sog mein Ohrläppchen in ihren Mund und biss sanft zu.
In meinem anderen Ohr hallte Grimalkins Stimme in einem gierigen, leisen, hungrigen Flüstern. „Plumper Sterblicher. Was auch immer deine Vergangenheit gewesen sein mag und was auch immer deine Zukunft bringen mag, wisse dies: Ich bin Mab, und ich halte meine Handel ein. Wenn du je wieder mein Wort in Frage stellst, Affe, werde ich das Wasser in deinen Augen vollständig gefrieren lassen.“
Der Schmerz legte sich zu nur mehr grausamster Folter, und ich biss fest die Zähne zusammen, um nicht aufzubrüllen. Ich konnte mich wieder bewegen. Ich zuckte zurück und krabbelte auf meinem Hintern möglichst weit weg, bis ich gegen eine Mauer prallte. Ich bedeckte meine Augen mit der Hand und fühlte, wie einige meiner gefrorenen Wimpern zerbarsten.
Eine Minute lang saß ich einfach nur da und versuchte, den Schmerz unter Kontrolle zu bringen. Dann wandelte sich das Weiß vor meinen Augen schließlich zu einem tiefen Rot und dann schließlich zu Schwarz. Ich öffnete die Augen. Ich konnte kaum meinen Blick fokussieren. Ich fühlte, dass meine Wangen nass waren und strich mit dem Finger darüber. In meinen Tränen war Blut.
„Ich habe dich weder gezwungen noch einen meiner Häscher ausgesandt, um dies zu tun“, fuhr Mab fort, als ob wir in unserer Unterhaltung niemals innegehalten hätten. „Wie dem auch sei, wenn du leben willst, wirst du mir dienen. Ich versichere dir, die Streiter des Sommers werden nicht eher rasten, als bis du tot bist.“
Ich starrte
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