Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
Bett. Gard war hellblond, groß, sehr kräftig, und auch wenn sie genau genommen keine schöne Frau war, hatte sie doch fein geschnittene Züge, eisblaue Augen und den Körperbau einer Profisportlerin.
Sie war über und über mit Blut beschmiert.
Sie troff regelrecht davon. Auch das Bett unter ihr. Ihr Hemd stand offen und gab den Blick auf einen schwarzen BH und eine lange Wunde, die unter ihrem Nabel quer über den Bauch verlief, frei. Glitschige, rot-graue, tauartige Schlingen standen leicht aus dem Schnitt hervor.
Mir drehte sich der Magen um, und ich sah weg.
„Meine Güte“, flüsterte Gard mit ruhiger, doch rauer Stimme. Ihr Gesicht war blass. „Sie tun ja gerade so, als hätten Sie noch nie gesehen, wie jemand ausgeweidet worden ist.“
„Bin einfach nur erleichtert“, murmelte ich. „Ich laufe heute dem ersten Menschen über den Weg, der noch mieser aussieht als ich.“
Einen Augenblick lang zeigte sie mir ein müdes Lächeln.
„Sie brauchen einen Arzt“, stellte ich fest.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Doch“, sagte ich. „Sie brauchen einen. Es überrascht mich, dass Sie noch nicht verblutet sind. Denken Sie daran, was es Monoc Securities kosten würde, Sie zu ersetzen.“
„Das werden sie nicht müssen. Ich komme wieder auf die Beine. Die Firma hat ein großartiges Gesundheitsprogramm.“ Sie angelte sich ein Fläschchen, das wie Modellbaukleber aussah, vom Rand des Bettes. „Das ist nicht das erste Mal, dass man mir das Gedärm herausreißt. Spaß macht es nicht, aber ich komme schon durch.“
„Verdammt“, brummte ich aufrichtig beeindruckt. „Haben Sie noch Stellen frei?“
Die Frage brachte mir ein weiteres klägliches Lächeln ein. „Sie passen nicht in unser Mitarbeiterprofil.“
„Langsam habe ich es satt, immer nur Absagen aufgetischt zu bekommen“, erwiderte ich.
Gard schüttelte müde den Kopf. „Wie haben Sie uns gefunden?“
„Demeter“, sagte ich.
Sie zog eine goldene Braue hoch. „Ich nehme an, das sollte mich nicht wirklich überraschen. Auch wenn ich ihn immer wieder gewarnt habe. Er ist einfach zu leichtgläubig.“
„Marcone? Zu leichtgläubig?“ Ich riss die Augen auf. „Meine Dame, damit verdienen Sie in punkto Verfolgungswahn echt ihre eigene Liga.“
„Das ist kein Verfolgungswahn – nur praktische Erfahrung. Ein sicheres Versteck ist nicht mehr sicher, wenn es nicht mehr geheim ist.“ Sie fuhr mit der Hand nach unten und drückte mit ihren Fingern gegen eine blutige Schlinge, die sie sanft wieder in die Wunde knetete. Sie stieß einen qualvollen Zischlaut aus, doch sie ließ nicht zu, dass so eine Kleinigkeit wie freigelegte innere Organe unserem Gespräch in die Quere kam. „Haben Sie sie bedroht?“
„Äh. In erster Linie habe ich ihr gesagt, ich würde Marcone helfen.“
Sie hob das Fläschchen mit Bastelkleber hoch und schmierte ein wenig Klebstoff auf beide Seiten der Wunde, wo sie ihr Gedärm zurückgedrückt hatte. Ich bemerkte, dass mehrere Fingerbreit der Wunde schon geschlossen und verklebt waren.
„Haben Sie ihr Ihr Wort gegeben?“, fragte Gard.
„Schon, aber …“ Ich konnte es nicht länger mit ansehen. „Hören Sie, könnten Sie vielleicht damit aufhören, während wir uns unterhalten? Mir fällt es einfach schwer, mich auf das Gespräch zu konzentrieren.“
Sie presste die Wundränder zusammen und stieß einen gehauchten Fluch in einer mir unbekannten Sprache aus. „Wissen Sie“, keuchte sie, „dass diese Art von Klebstoff ursprünglich entwickelt worden ist, um im Notfall Wunden auf dem Schlachtfeld schnell zu schließen?“
„Wissen Sie, dass Sie gleich herausfinden werden, was ich heute zum Frühstück verspachtelt habe?“
„Ich weiß nicht, ob es stimmt“, fuhr sie ungerührt fort. „Ich habe es in einem Film gesehen. Mit – verflucht noch mal – Werwölfen.“ Sie atmete aus und nahm die Hände langsam von der Wunde. Fünf bis acht weitere Zentimeter schorfiger Haut waren nun versiegelt. Gard sah abscheulich aus, ihr bleiches Gesicht war vor Qual in Falten gezogen.
„Warum? Warum suchen Sie Marcone?“
„Die Kurzversion? Wenn ich es nicht tue, reißt man mir den Arsch auf.“
Sie beobachtete mich durch zusammengekniffene Augen. „Es ist persönlich?“
„Ziemlich. Ich gebe Ihnen mein Wort, wenn Sie wollen.“
Sie schüttelte den Kopf. „An … Ihrem Wort zweifle ich nicht. Das war schon immer einiges wert.“ Schmerzverzerrt presste sie die Augen zu und schnaufte einige
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