Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
wichtig.“
„Donald ...“
„Nicht wichtig“, wiederholte er stur.
Da fing Anastasia an, lautlos zu weinen. Sie hockte sich neben Morgan und strich immer wieder mit der Hand über das verklebte braune Haar mit den Silbersträhnen.
***
Eine Stunde später lag Morgan wieder bewusstlos im Bett, Molly war unten im Labor und tat bei geschlossener Falltür so, als würde sie an einem Zaubertrank arbeiten. Ich saß immer noch auf der Couch, die inzwischen leere Coladose in der Hand.
Anastasia kam aus dem Schlafzimmer, schloss leise die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. „Als ich ihn hier fand“, sagte sie leise, „dachte ich, er wäre gekommen, um dir etwas zu tun. Ich dachte, er hätte das mit uns beiden herausgefunden und wollte dir wehtun.“
„Du und Morgan?“, fragte ich.
Sie schwieg einen Moment lang, ehe sie antwortete. „Ich habe es nie zugelassen, das wäre ihm gegenüber nicht fair gewesen.“
„Aber gewünscht hat er es sich trotzdem“, sagte ich.
Sie nickte.
„Ach du heiliger Strohsack!“ Ich seufzte.
Sie faltete die Arme vor dem Bauch, ohne aufzusehen. „War es denn mit dir und deinem Lehrling so anders, Harry?“
Molly war nicht immer der Grashüpfer gewesen, der sie heute ist. Als ich angefangen hatte, sie zu unterrichten, war sie davon ausgegangen, dass ich ihr alle möglichen Dinge beibringen würde, die absolut nichts mit Magie zu tun hatten. Dafür umso mehr mit nackten Tatsachen – wobei sie nackt sein würde, und das wäre für sie mehr als in Ordnung gewesen.
Aber für mich nicht.
„Wahrscheinlich nicht“, musste ich zugeben. „Aber er ist schon sehr, sehr lange nicht mehr dein Lehrling.“
„Ich war immer der Meinung, dass romantische Verstrickungen mit einer Verletzlichkeit einhergehen, die ich mir in meiner Stellung nicht erlauben kann“, sagte sie.
„Das gilt anscheinend nicht immer.“
Sie holte tief Luft. „Diese Ansicht zu vertreten und durchzuhalten fiel mir in meinem alten Körper leichter. Er war eben älter und weniger anfällig für ...“
„Fürs Leben?“, schlug ich vor.
Sie zuckte die Achseln. „Liebe, Begehren. Alleinsein. Glücksgefühle. Schmerz.“
„Leben!“ Ich nickte.
„Möglicherweise.“ Sie schloss einen Moment lang die Augen. „Als ich jung war, habe ich in Liebe geschwelgt. In Erregung, in Erfahrungen, Entdeckungen, im Leben.“ Sie wies auf ihren Körper. „Bis der Leichenräuber mich so zurückließ, war mir nie klar, wie viel aus jener Zeit ich vergessen hatte.“ Sie warf mir einen bösen Blick zu. „Erst als du mich daran erinnert hast, habe ich begriffen, wie sehr ich das alles vermisste. Aber als es so weit war, war Morgan nicht mehr ... er war so, wie ich gewesen war. Abgeklärt.“
„Mit anderen Worten: Er hatte sich nach deinem Vorbild entwickelt, hatte danach gestrebt, immer mehr so wie du zu werden, und genau weil er danach gestrebt hatte, konnte er dir nach deiner Veränderung dann nicht mehr geben, was du nun wolltest.“
Sie nickte.
Ich schüttelte den Kopf. „Hundert Jahre sind eine lange Zeit, um ein Mädchen aus der Ferne zu verehren“, sagte ich. „Das muss verflucht weh getan haben.“
„Das weiß ich. Dabei wollte ich ihm nie weht tun. Das musst du mir glauben.“
„An dieser Stelle kommt jetzt eigentlich immer der Spruch: Was kann man schon machen, das Herz will eben, was das Herz will“, sagte ich.
„Eine Binsenweisheit“, sagte sie. „Aber dennoch wahr.“ Sie drehte sich um, bis ihre rechte Schulter an der Wand lehnte und sie mich direkt ansah. „Wir müssen reden. Klarkriegen, wo wir jetzt stehen.“
Ich spielte mit der Coladose. „Aber vorher müssen wir erst einmal über Morgan und LaFortier reden.“
„Ja.“ Sie holte tief Luft.
Weißt du schon, was du jetzt tun willst?“, wollte ich wissen.
„Der Rat fahndet nach ihm, Harry“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Ich weiß nicht, wie er bislang verhindert hat, dass man ihn mit Suchmagie findet, aber früher oder später wird man ihn entdecken. Das kann Stunden dauern oder Tage, aber finden wird man ihn, und wenn das passiert, dann seid ihr beide auch dran, Molly und du. Ihr werdet mit ihm zusammen sterben.“ Wieder holte sie tief Luft. „Ich auch, wenn ich mit dem, was ich jetzt weiß, nicht zum Rat gehe.“
Ich nickte.
„Du hältst ihn wirklich für unschuldig?“, fragte sie.
„Was den Mord an LaFortier angeht, ja“, sagte ich.
„Hast du Beweise?“
„Ich habe genug Hinweise darauf, dass er es
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