Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
mir fühlte sich, als wäre etwas in meiner Brust zerrissen, so tief war der Schmerz, den ich in Reaktion auf die Hoffnung, die Unsicherheit in der Stimme des Grashüpfers spürte.
Aber ein anderer Teil wollte aufheulen und über sie herfallen. Sie nehmen. Jetzt. Ich wollte nicht einmal warten, bis das Auto zum Stehen kam. Wenn ich nur nach den Zahlen ging, gab es keinen Grund, diesem Verlangen nicht nachzugeben – außer dem eventuellen Autounfall, meine ich. Molly war eine erwachsene Frau. Sie war extrem anziehend. Ich hatte sie einmal nackt gesehen, und sie sah sehr gut aus. Sie war bereit – sogar mehr als das. Außerdem vertraute ich ihr. Ich hatte ihr über die Jahre viel beigebracht, und einiges davon war sehr intim gewesen. Meister-Lehrling-Beziehungen waren in Magierkreisen kaum unbekannt. Einige Magier bevorzugten diese Situation sogar, denn auf der unheimlichen Seite konnte Sex eine ganze Ecke gefährlicher als erholsam sein. Sie sahen das Lehren körperlicher Intimität als etwas, das ebenso untrennbar mit der Magie verbunden war wie mit dem Leben.
M öglich erweise hatten sie damit, von einem Standpunkt purer, ungetrübter Vernunft aus, sogar recht.
Aber es gab dabei mehr zu beachten als nur die Vernunft. Ich hatte Molly schon gekannt, als sie noch keinen BH brauchte. Ich hatte in ihrem Baumhaus rumgehangen, wenn sie von der Highschool heimkam. Sie war die Tochter des Mannes, den ich in dieser Welt am meisten bewunderte und der Frau, die ich am wenigsten verärgern wollte. Ich glaubte, dass Leute in Positionen der Autorität und des Einflusses, vor allem solche in der Rolle des Mentors und Lehrers, ein enormes Maß an Verantwortungsgefühl haben mussten, um diesen Einfluss auf weniger erfahrene Individuen auszugleichen.
Aber zum größten Teil konnte ich es nicht, weil Molly seit ihrem vierzehnten Lebensjahr für mich schwärmte. Sie liebte mich – zumindest dachte sie das –, und ich erwiderte dieses Gefühl nicht. Es wäre unredlich gewesen, ihr so das Herz herauszureißen. Außerdem hätte ich mir nie, niemals dafür vergeben, sie verletzt zu haben.
„Es ist in Ordnung“, wisperte sie beinahe. „Wirklich.“
Es gab nicht viel zu sagen. Deshalb streckte ich mich, nahm ihre Hand und drückte sie sanft. Nach einer Weile sagte ich: „Molly, ich denke nicht, dass es je geschehen wird. Aber wenn doch, dann wird das erste Mal zur Hölle nicht so sein. Du verdienst etwas Besseres. Ich auch.“
Dann legte ich beide Hände ans Steuer und fuhr weiter. Ich musste noch jemanden aufsammeln, ehe ich der Rotkappe meine Version eines Geiseldramas bescherte.
***
Wir erreichten Casa Carpenter gegen fünf Uhr, und ich parkte das Munster-Mobil an der Straße. Es war das auffälligste Objekt in weitem Umkreis und passte so gut in das Wohnviertel wie eine Gans in einen Schwarm Kugelfische. Ich stellte den Motor ab und lauschte seinem Klicken. Ich warf keinen Blick auf das Haus.
Ich verließ das Auto, schloss die Tür und lehnte mich dagegen, blickte noch immer nicht auf das Haus. Ich musste es nicht. Ich hatte es oft genug gesehen. Es war ein schönes Haus im Kolonialstil, mit gepflegter Landschaftsgärtnerei, einer hübschen grünen Rasenfläche und einem weißen Jägerzaun.
Der Grashüpfer verließ das Auto und kam zu mir herüber. „Mein Vater ist arbeiten. Der Sandkriecher ist weg“, bemerkte Molly. Sie nickte zur Auffahrt, wo ihre Mutter stets den Minivan parkte. „Ich glaube, meine Mutter wollte heute Mittag mit den Jawas zum Süßigkeitensammeln in die Botanischen Gärten. Deshalb werden die Kleinen nicht daheim sein.“
Das war Mollys Art, mir zu sagen, dass ich meiner Tochter jetzt nicht gegenübertreten musste und aufhören konnte, ein Feigling zu sein.
„Geh nur und hol ihn“, sagte ich. „Ich warte.“
„Klar“, sagte sie.
Molly ging zur Eingangstür hinüber und klopfte. Etwa zwei Sekunden danach prallte etwas Großes gegen die andere Seite der Tür. Die schwere Tür wackelte in ihren Angeln. Staub rieselte, von dem Aufprall losgelöst, vom Dach über der Veranda. Molly versteifte sich und wich zurück. Eine Sekunde später knallte es wieder, und noch einmal, und das rasende Kratzen von Klauen ertönte an der Tür. Dann weiteres Klopfen.
Ich eilte über die Straße, um mich neben Molly auf den Rasen zu stellen, der Eingangstür zugewandt.
Die Tür wackelte, dann öffnete sie sich unstet, als käme da jemand, der die Hände voll hatte. Dann flog die Windfangtür auf, und etwas
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