Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
Vergangenheit und Gegenwart. Molly war an der fernen Rückseite des Lagers, direkt neben der Tür. Sie half Justine gerade beim Aufsitzen. Mac war ebenfalls dort, und er und Butters halfen gemeinsam einer wacklig aussehenden Andi, auf den Beinen zu bleiben. Mouse stand zwischen der Gruppe und der Vorderseite des Lagers Wache und begann, mit dem Schwanz zu wedeln, als er mich sah.
„Schön“, rief ich und lief zu ihnen. „Oder zumindest schöner. Was ist geschehen?“
„Sie lagen unter dem Einfluss eines Schlafzaubers“, informierte mich Molly. „Relatives Grundlagenzeug. Ich habe sie geweckt.“
„Alle klar?“
„Andi bekam einen Schlag auf den Kopf, als man sie entführte“, sagte sie. „Aber abgesehen davon ist, denke ich, alles in Ordnung.“
Mollys Stimme wankte nie, während sie sprach, aber ihr Blick flackerte unsicher zu Mac. Ich sah mir alle an. Andi, Butters und Justine waren gefesselt gewesen. Justine bekam erst jetzt die Seile von den Handgelenken geschnitten, und als Molly sie mit einem Taschenmesser entfernte, konnte ich die tiefen Striemen sehen, die sie auf Justines schmalen Handgelenken hinterlassen hatten. Butters und Andi hatten sie auch, sie waren trotz des Halbdunkels des Lagerhauses sichtbar.
Mac hatte keine.
Das war interessant. Wieso hatte man Mac nicht gefesselt? Oder, wenn er es gewesen war, wie konnte es sein, dass keine Markierungen davon zeugten? Egal wie, das war eigenartig.
Mein erster Instinkt war es, ihn zu schnappen und Antworten zu fordern – aber das direkte Angehen hatte mich während dieses dummen Tages nur immer mehr verwirrt. Ich mochte ein besserer Schläger sein, aber das zählte nicht, solange ich nicht herausfand, wo genau ich meine Muskeln ansetzen musste. Außerdem hatte ich es verdammt satt, dass man sich an mich anpirschte. Es war an der Zeit, böse zu werden.
Ich knirschte mit den Zähnen und gab vor, Molly hätte mich in nichts eingeweiht. „Los, Leute“, sagte ich. „Gehen wir. Ich denke, sie sind weg, aber sie könnten zurückkehren.“
„Das war ’ s?“, fragte Molly. „Ich habe mehr Ärger erwartet als ...“ Sie brach ab und fixierte den Boden hinter mir.
Mein Bein klopfte und brannte ein wenig, und ich blickte irritiert darauf hinab. Zu meiner Bestürzung sah ich eine lange Linie kleiner Schmierspuren meines Blutes auf dem Fliesenboden. Die kleine Wunde hatte weiter geblutet, das Blut hatte meine Socke und meinen Schuh durchdrungen und tropfte auf meine Ferse herab.
„Was ist geschehen?“, fragte Molly.
„Es war ein weiterer dummer Trick“, sagte ich. „Das Ziel war nicht, sie gegen Lösegeld festzuhalten. Es fing darum, mich hierher zu bekommen, unter Druck und zu beschäftigt, um mich gegen Angriffe aus jeder Richtung schützen zu können.“ Ich hielt den Wurfpfeil hoch. „Wir finden besser heraus, was das ist und welche Art Gift darin ist.“
„Oh Gott“, hauchte Molly.
„Ich nehme jede Hilfe, die ich kriegen kann“, sagte ich. „Lasst uns ge…“
Aber noch ehe ich den Satz beenden konnte, ertönte ein lauter, knirschender Knall, und das gesamte Lagerhaus bebte. Ich hatte kaum Zeit, „Sprengladung“ zu denken, da erklang ein ohrenbetäubendes Krachen, und der Boden neigte sich.
Dann kippten die gesamten hinteren sechs Meter des Lagerhauses, uns alle eingeschlossen, von der Straße und hinein ins kalte, dunkle Wasser des Lake Michigan.
38. Kapitel
W ir fielen nicht gerade nach unten. Stattdessen erklang das Kreischen reißender Bolzen, und unser Teil des Gebäudes schwankte wie betrunken und tauchte dann in einem schiefen Winkel ins Wasser ein.
Das Chaos war der schlimmste Teil dabei. Die lauten Geräusche, die zur ungleichmäßigen Bewegung gehörende Desorientierung und dann die Woge des Schreckens, wenn die Schwerkraft alles übernahm, sorgte für eine panische Reaktion in meinem Kopf – und ich war kein Kerl, der schnell in Panik geriet.
Das kapierten die meisten Leute nicht, wenn es um Situationen wie diese ging. Menschen waren dazu gemacht auszurasten, wenn etwas schieflief. Es war egal, ob man Erzieher oder SoKo-Chef war – sobald gefährliche Dinge geschahen, bekam man Angst. Man drehte durch. Das geschah einfach so. Geschah es, weil man aufwachte, während ein hungriger Bär den Campingplatz plünderte, dann war das normalerweise ein verhältnismäßig guter Mechanismus.
Aber in dunkles Wasser in einem abgeschlossenen Bereich zu fallen war keine Situation, in der panisches Adrenalin hilfreich
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