Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
Schulter zu heben und feuerte erneut. Eine der dunklen Gestalten verschwand vom Deck, zwei weitere schreckten zurück. Weitere Schüsse kamen vom Boot – panische Schüsse, sie spritzten wild überall auf, aber zum größten Teil nicht in unserer Nähe. Wer auch immer da drüben war, er mochte es nicht mehr als ich, beschossen zu werden.
Als wir uns die letzten Meter näherten, feuerte Karrin drei weitere Male in schnellem, sicherem Tempo. Ich sah nicht, ob sie jemanden traf, bis wir am Frachter vorbeibrausten, nicht weiter als drei Meter entfernt, und ein Mann in Sichtweite kam, der den charakteristischen Umriss einer Schrotflinte hielt. Karrin deckte das Heck des Frachters ab, als er unerwartet auftauchte. Die alte Waffe erdröhnte wieder, und der Schütze fiel zurück und außer Sicht.
Wir rasten unverletzt vorbei, aber die feindlichen Schüsse hatte ihre Arbeit getan.
Die Reiter und Jagdhunde der Jagd wurden von den fliegenden Kugeln ablenkt und konnten nicht annähernd so viel Schaden am Frachter anrichten wie beim einleitenden Angriff. Vor meinen Augen erschienen auf dem Frachter mehr und mehr Personen mit Waffen und begannen zu schießen.
Ich kontrollierte den herannahenden Ansturm der Außerweltlichen.
Wir würden den Frachtkahn nicht vor ihrem Eintreffen versenken können.
„… nicht versenken!“, rief Karrin.
„Was?“
„Wir müssen den Frachtkahn nicht versenken!“, schrie sie. „Er kann sich nicht von selbst bewegen! Wir müssen nur das Boot zerstören, das ihn zieht!“
„Stimmt!“, sagte ich und legte die Harley in eine Kurve, die uns zurück auf den Frachter zusteuern würde – dieses Mal zu seiner Vorderseite, od er Bug oder Hug oder so etwas, wo ein Rigg, das einen Schleppkahn, kaum größer als die Wasserkäfer , beinhaltete, angebaut war.
Sie brachte uns außerdem n äher zu den herannahenden Außerweltlichen, und ich konnte nicht sagen, wer von uns zuerst ankommen würde. Während ich beschleunigte, wühlte Karrin in den Fä chern der Harley, griff um mich und sagte dann: „Halte sie ruhig!“
Sie erhob sich, und ich sah verdammt nochmal nichts mehr – aber ich beobachtete, wie sie den Stift aus einer gottverdammten Handgranate zog und der Sicherungshebel hinaus in die Nacht flog. Die Harley brauste vielleicht drei Meter vor den Außerweltlichen am Rigg des Schleppers vorbei, und Karrin gab der Granate einen ganz lahmen, kleinen Klaps, als wir vorbeifuhren. Ich hörte sie auf Glas treffen wie ein Stein, der in ein Fenster flog, und dann waren wir am Frachtkahn vorbei, und ein immenses Geräusch erdröhnte, wie eine gesamte Bibliothek, deren Bücher alle zur gleichen Zeit zu Boden fielen, und ein weißglühendes Licht flammte vom Schlepper auf.
Ich warf über die Schulter einen Blick zurück und sah, dass der Schlepper in Flammen stand, dicken schwarzen Rauch ausstieß und scharf auf der Seite lag. Murphy sah es auch und gab einen heulenden Kriegsschrei von sich, ehe sie sich zurücksetzte und meine Hände von den Handgriffen schob, wieder die Kontrolle der Harley übernahm. „Zwei beseitigt!“, sagte sie. „Bleibt noch einer!“
Ich blickte hinter mich. Die Außerweltlichen hatten begonnen, den Frachtkahn zu umschwärmen, und einer von ihnen kam tatsächlich aus dem Wasser auf einen der hinteren Reiter der Jagd zu – ein schreckliches Ding, das aus nur Pusteln und mehrfachen Gliedmaßen mit zu vielen Gelenken bestand. Während es hochsprang, hob der Reiter einen schattenhaften Bogen und schoss einen dunklen Pfeil ab. Er traf den Außerweltlichen und flammte purpurrot und bernsteinfarben auf, Flammen in der gleichen Farbe wie die brennenden Augen der Jagd. Der Außerweltliche heulte überirdisch und tauchte wieder unter.
„Komm“, sagte ich. „Steuere das andere Boot an.“
„Sollen wir?“, fragte sie. „Dieser Erlkönig scheint ein wenig ... egozentrisch.“
Sie hatte recht. Wie jedes andere ernstlich mächtige Wesen des Feenlandes hatte der Erlkönig ein starkes Ehrgefühl – und dieses kränkte man auf eigene Gefahr. Sollte ich auftauchen, und der Erlkönig verstand das als Statement meinerseits, dass ich ihn als zur Erfüllung der Aufgabe untauglich bewertete, konnte das ein Nachspiel haben. Auf der anderen Seite hatte ich ihn bereits einmal beleidigt, und viel stand auf dem Spiel. „Wenn er mich solche Entscheidungen nicht treffen lassen möchte, dann hätte er sich nicht von mir anschießen und mich seine Jagd übernehmen lassen dürfen“, sagte ich.
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