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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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Wasserflasche war längst leer, der Durst groß. Ich riß die Tür des zerbeulten XX L-Kühlschranks auf und fand eine vergessene Flasche Bier. Ein Schlag mit der flachen Hand, und der Kronkorken flog über die Blechkante. Es schmeckte scheußlich, hefesuppenwarm, aber ich konnte den trockenen Mund wässern, ich trank widerwillig und gierig zugleich, trank in kleinen Schlucken und dachte daran, was ein Freund von Beto, den wir draußen auf der Ranch getroffen hatten, über die Wüste erzählt hatte. Das Land war nicht mehr wüst, Kapitän Kings Traum war in Erfüllung gegangen, und doch hatte der alte Name seine Wahrheit und seinen Schrecken nicht eingebüßt: El Desierto de los Muertos. Der Cowboy hatte von dem Tag erzählt, als er den jungen Kerl unter dem Mesquitebusch fand. Keiner von der Ranch, ein Fremder, vielleicht siebzehn Jahre alt, vielleicht auch jünger, pechschwarzes Haar, dunkles Gesicht. Er war vom Pferd gesprungen, die Waffe in der Hand, hatte den Jungen angerufen und ihn, als er nicht reagierte, sacht mit der Stiefelspitze angestoßen. Auch jetzt regte er sich nicht. Der Cowboy legte ihm zwei Finger an die Halsschlagader – nichts. Der Junge war tot, wahrscheinlichverdurstet, wie andere vor ihm. Vor Wochen oder Monaten aus irgendeinem Dorf in Guatemala aufgebrochen, aus irgendeiner Armut in San Salvador, hatte er es geschafft, illegal über diese magische Grenze zu kommen, die Hoffnung von Elend trennte, war dem Rat gefolgt, sich von der Straße fernzuhalten mit ihren scharfen Kontrollen, auf der ich gerade südwärts fuhr, hatte sich zu Fuß nordwärts aufgemacht durchs Buschland unter der Sonnenglut, hatte langsam begriffen, daß er die alte Wüste unterschätzt hatte, war schließlich nur noch vorwärts getaumelt und, als er nicht mehr konnte, unter einem Mesquitebusch niedergesunken. Nicht weit entfernt hatte der Cowboy eine leere, in der Hitze aufgedunsene Plastikflasche gefunden.
    Die Luft flirrte. Land, Himmel, alles verschwamm zu einem farblosen Hitzebrei, der meine Augenlider und Poren verklebte. Die Erlösung ließ sich Zeit. Dann endlich tauchten Palmen auf, viele Palmen, die Piste verwandelte sich in eine hochgelegte Straße, einen wörtlichen Highway. Sollte das schon Raymondville sein? Dann lag die Halbwüste hinter uns. Es war wohl Raymondville gewesen, denn jetzt kam eine Art von Mischwald, die auf eine Stadtlandschaft hindeutete – Palmen, gemischt mit ebenso schlanken Reklamemasten, das mußte Harlingen sein. Bis hoch hinauf nackte Palmstämme ragten beiderseits des Highway in den Himmel, und dazwischen bis hoch hinauf nackte Reklamemasten. Was bei den einen die Wedel waren, war bei den anderen die Botschaft.
    Immer mehr Tow-Trucks waren hier unterwegs, alles raste und glitt auf die Grenze, auf Mexiko zu. Wasda in Sicht kam, war das schon Brownsville? War ich am Ziel? Der Filmheld bog rechts ab, der Kühlschrank und ich taumelten hinterher, es ging jetzt in die Stadt hinein, und da sah ich das Schild: «750 feet to Mexico». Er hielt, ich sprang ab. Sein Filmplakatlächeln erschien im Seitenfenster. Ich klopfte auf die goldene Schrift an der Fahrertür – «Trust No One».
    «Ist das von Ihnen?»
    «Nein, ich hab den Truck so gekauft – aber es ist die Wahrheit. Der Gringo, dem das Auto vorher gehörte, war ein kluger Mann.» Er zeigte ein breites Lächeln. «Trau keinem, amigo, trau keinem.»
    «Warum haben Sie mich dann mitgenommen?»
    Er lachte schallend und schlug mit der Hand aufs Türblech. «You
are
No One! Adiós, amigo!»
    Weg war er.
    Das warme Bier im Blut, der eklige Nachgeschmack auf der Zunge, in den Straßen die brüllende, brennende Mittagshitze, die ölig-scharfen Gerüche aus den Bars, die sich vor Ramschläden und Wühltischen drängende, voranboxende Menge, kein «Excuse me, Sir!» mehr, nur ein Rempeln und Schnalzen: weg da – das war Brownsville. Wer hier, in den Straßen nahe der Grenzbrücke, unterwegs war, tat es nicht zu seinem Vergnügen, er hatte etwas zu schleppen, hatte etwas gekauft oder zu verkaufen. Die Läden hießen «Aztec Finance», «La Casa del Nylon», «Casa Hindú», «Juanito el Conquistador». Und wieder und wieder der Patron von allem, «La Santísima Muerte» – der verehrungswürdige hochheilige Tod, ein Illegaler auch er.
    Mit den Kleinhändlern, den Drogenhändlern, mitall denen, die über den Fluß kamen, um sich in Amerika zu verdingen, auf einer Ranch, in einer Bar, einer Villa, war auch der mexikanische Tod über den Rio

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