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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Wohnzimmer.
    Hartmut sitzt in einer Unterhose im Sessel und ist unrasiert. Es tut mir weh, es zu sagen, aber er stinkt. Die Unterhose stinkt. Das kann doch nicht sein.
    »Willst du nicht noch ein bisschen schlafen? Und überhaupt, was ist denn los mit dir?«, sage ich.
    Hartmut verzieht ganz leicht die Augenpartie, als wolle er sagen, dass man ihn nur noch ein bisschen triezen muss, bis er mit allem herausrückt. Aber er rückt nicht raus. Stattdessen sagt er: »Ich weiß, dass dich das wahnsinnig stören muss, aber lass mich nur noch ein bisschen, okay? Nur noch ein bisschen!«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kratze mich am Sack, als wolle ich eine gewisse Solidarität mit seinem Zustand ausdrücken. Es fühlt sich so an, als sei er das Opfer und ich würde ihn unter Druck setzen. Ich hasse das. »Hartmut, das ist eine Kindersendung und wir haben früh am Morgen!«, sage ich, und Hartmut macht jetzt ein Gesicht, als hätte ich gerade den Grund geliefert, warum ich ihn weitergucken lassen soll. In diesem Blick wird es zur Selbstverständlichkeit, dass er morgens um zehn Uhr Kindersendungen guckt, und selbst ich höre plötzlich den Satz »Was soll man denn sonst tun?« in mir und fühle mich wie ein illegitimer Störenfried, der einem kleinen Jungen seinen Teddybären weggenommen hat. Verstört trete ich zurück in mein Zimmer und versuche, noch ein wenig zu schlafen.
    Um 15 Uhr werde ich vom Ausschalten des Fernsehers wach und schnelle hoch. Ich schwitze wieder. Mein T-Shirt klebt an mir wie bei einer fiebrigen Grippe. So kann das nicht weitergehen. Ich stehe auf und sehe Hartmut über die Straße zur Pommesbude gehen. »Er hat fünf Stunden ferngesehen und holt sich jetzt Currywurst Pommes spezial«, denke ich. Das scheint alles so selbstverständlich zu sein. Es macht mich schrecklich traurig. Ich schleiche mich aus dem Haus, bevor Hartmut zurückkommt, und fahre mit dem Rad raus. Ich will einige Stunden Abstand gewinnen. Ich trage immer noch mein verschwitztes Schlafhemd.
    Ich schaffe es tatsächlich, bis zum späten Abend Rad zu fahren. Ich komme in Orte, die ich noch nie gesehen habe, entdecke Häuser, Waldstücke und Landstraßen, die sich fast wie Urlaub anfühlen. Ich drehe einfach nicht um, weil ich nicht nach Hause zurückwill, nicht in die WG zu Hartmut und seinem Fernseher, ich sage schon »sein« Fernseher, und es kommt mir so vor, als wäre die ganze Wohnung mit beiden Flügeln schon Hartmuts Reich, als habe sich Hartmut ausgebreitet wie ein Erdrutsch, der mich in die kleine restliche Ecke meines Zimmers drängt und schon an die Zimmertür drückt, die dieser Kraft nicht standhalten können wird, so dünn und improvisiert, wie sie ist. Dabei hat Hartmut gar nichts getan, außer sich gehen zu lassen, und ist dabei zerflossen wie eine Welle, die alles und sich selbst zermalmt. Ich habe Angst vor ihr. Ich trete in die Pedalen. Doch irgendwann muss ich zurück.
    Es ist dunkel, als ich um 22 Uhr das Rad in die Scheune schiebe. Es hat angefangen zu regnen, und die kalten Tropfen prasseln auf das Dach des Anbaus und fließen glitzernd an der Lampe draußen vorbei. Eine Spinne hält sich in ihrem wackelnden Netz wie ein Segler im Sturm. Aus dem Wohnzimmerfenster flackert bläuliches Licht. Ich gehe hinein.
    »Nimm jetzt den Fernseher und trag ihn in dein Zimmer!«, schreie ich. Ich habe mich auf die Wut verlegt, weil ich eigentlich Angst habe. Ich komme ja nicht an Hartmut ran, er ist immer noch versteckt in diesem Körper, und solange er da drin ist, tut es mir weniger Leid, wenn ich ihn anbrülle wie ein Tier. »Aber da hab ich doch keinen Anschluss!«, fleht der Körper, in dem Hartmut steckt. »Dann nimmst du dir eben die ganzen Videos mit rüber, es sind doch Dutzende, Hunderte!«, brülle ich, fange an, unser Regal mit den Videos auszuräumen und werfe sie Hartmut auf den Schoß, beobachte mich selbst bei meinem Anfall und bin entsetzt, fühle mich wie eine hysterische Frau in einem schlechten Film und kann doch nicht aufhören. Ich brülle: »Es ist doch völlig egal, was du siehst, oder etwa nicht!? Es geht doch nur darum, dass es weiter aus der Kiste fließt!«
    Plötzlich wird Hartmut ganz still, als hätte ich die Weltformel auf den Punkt gebracht. Er sieht mir seit Tagen das erste Mal wieder in die Augen und sagt: »Du hast Recht!« Dann trägt er nach und nach den Fernseher, den Videorecorder und die Kassetten in sein Zimmer. Und zum ersten Mal weiß ich, was Traurigkeit ist.
    Ich traue

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