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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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konnte nur noch dadurch beruhigt werden, dass das Küchenradio immer noch keine CDs abspielte. Er nahm es und versteckte es im Keller, bevor sie es bemerken konnte. Als Susanne fragte, ob es wirklich nichts mehr zu tun gäbe, hielt er kurz inne und sagte auf diese neckische Weise »Nein«, die Frauen dazu bringt, Männer auszukitzeln und zum Verhör mit in ihr Zimmer zu nehmen. Am nächsten Morgen sahen beide sehr glücklich aus.
    Das Objekt, das schließlich doch zur Trennung führte, hatte 200 Seiten und hieß Lösungen . Verfasst wurde es von Paul Watzlawick. Dieser Mann hatte einfach für alles eine Lösung. Ging es nicht geradeaus, dachte er um die Ecke. Hatte sich das »Bewährte« jahrelang als falsch erwiesen, schlug er einfach etwas Neues vor. Das Geheimnis seines Denkens war, dass er wirklich ans Ziel wollte. Kein Watzlawick würde monatelang über den Flokati zum Recorder robben. Und sein Kapitel über das »Utopie-Syndrom« ließ Hartmuts gesellschaftliche Visionen zu Staub zerfallen. »Verstehst du nicht, Schatz?«, sagte Susanne dann. »Ein utopisches Ziel ist immer ein Ziel, das man zu Lebzeiten niemals erreichen kann. Und das weiß man auch. Denn man setzt es sich ja nur, damit man immer darüber jammern kann, dass es noch nicht erreicht ist. Weil man nicht ankommen will. Du hast Angst vorm Glücklichsein, mein Herz!« Dann legte sie das rote Bändchen beiseite und wartete auf Hartmuts Gegenrede. Der beobachtete nur noch, wie meine Lemminge sich mit einem lauten »Yahey!« in die Luft sprengten.
    Susanne kommt nicht mehr. Hartmut hat sich schwer getan mit seiner Entscheidung, doch es ging ihm nicht gut und er ist immer blasser geworden. Jetzt blüht er langsam wieder auf. Er hat einiges Gerümpel in die Scheune geworfen. Er hat es extra vom Sperrmüll im nächsten Ortsteil angekarrt. Das Radio in der Küche spielt immer noch keine CDs, und Hartmut freut sich jeden Morgen darauf, es zu versuchen. Den Filter der Spülmaschine hat er geplättet, indem er einen halb vollen Topf Nutellanudeln mitgespült hat. Nur der Schimmel in der Dusche lässt noch etwas auf sich warten, und dass der Benzinfleck weg ist, scheint ihm sogar zu gefallen. Die Fernbedienung des Videorecorders habe ich versteckt. Immer, wenn er danach fragt, sage ich, ich weiß nicht, wo sie ist, und er kriecht dankbar lächelnd zum Videorecorder, den Mund extra dicht über dem muffigen Flokati. Nachts, wenn Hartmut schläft, ziehe ich die Fernbedienung unter meinem Kissen hervor und spule in der neu gewonnenen Freiheit Videos hin und her, bis ich coole Standbilder gefunden habe. Wenn’s Hartmut mal ganz dreckig geht, weil sein Computer einfach nicht mehr abstürzt und kein Virus sich auf seinen Rechner verirren will, obwohl er sämtlichen Schutz deinstalliert hat und sich Post von obskuren Seiten kommen lässt, geht er einfach in den verwilderten Garten und liest zwischen dem undurchdringlichen Gestrüpp philosophische Bücher. Dann kommt er um Mitternacht wieder rein und macht ein seliges Gesicht. »Es gibt keine Lösung für den, dem sich das Sein nicht eröffnet!«, sagt er dann, seufzt und geht glücklich ins Bett.
    Nur einmal hat er triumphiert in der Zeit, als Susanne bei ihm war. Er hatte sie im Tischtennis geschlagen. Hinten. In der Scheune.

KRANK SEIN
    Hartmut ist krank.
    Wenn ich jemals gewusst hätte, was das bedeutet, wäre ich nie mit ihm zusammengezogen.
    Jetzt ruft er wieder aus seinem Zimmer, wo er bis an die letzte Haarspitze eingemummelt in seinem Bett liegt und die Heizung auf die höchste Stufe gedreht ist. Ich gehe durchs große Bad, wo seine durchgeschwitzte Wäsche mit extra starken Portionen Hygienespüler in der Maschine brummt, und betrete den Raum. »Das ist ja Nektar! Das ist nicht mal industriell gepresster Orangensaft, das ist Nektar!«, sagt er und hält mir vorwurfsvoll das Glas entgegen.
    »Mit Vitamin-C-Pulver drin!«, erwidere ich, aber er verzieht das Gesicht und schüttelt das Glas wie einen Becher mit Insekten, den ich ihm schnell abnehmen soll. Ich nehme es. Es ist so heiß in seinem Zimmer, dass mir der Schweiß nur von dieser kleinen Bewegung herunterläuft. Er hat zwei Oberbetten übergeworfen und eine Wolldecke. Er macht ein grimmiges Gesicht. »Willst mich wohl vergiften, den nervigen alten Kranken«, sagt er und dreht sich mit einem Ruck gegen die Wand. Ich mache laut »Hrrmpf!« und stampfe aus dem Zimmer.
    Im Wohnzimmer krame ich in der Playstation-Bibliothek und suche ein Spiel, bei dem man

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