Hartmut und ich: Roman
plötzlich etwas Schweres und Hartes auf den Wohnzimmerboden knallt. Ich lasse Yannicks Ohren los, der bettelt, ich signalisiere ihm, dass ich die beiden Männer eben von der Zerstörung des Hauses abhalten muss, er bleibt in Hartmuts Bett, und ich gehe ins Wohnzimmer. Dort stehen Hartmut und Hans-Dieter um einen riesigen, sicher einen halben Meter messenden Brocken Beton, der komplett aus der Decke gebrochen ist, in welcher jetzt ein Loch klafft, das vorwurfsvoll und leise nachrieselt. Ich denke an die Risse in der Hauswand draußen und daran, dass wir hier immer noch in einem schiefen Gebäude stehen, dessen Westseite im Keller von provisorischen Stempeln gestützt wird. Hans-Dieter und Hartmut sehen stumm auf den Brocken herab. Es klopft an der Tür. »Macht auf, verdammt noch mal! Was macht ihr denn da?«, brüllt Kirsten aus dem Hausflur, und jetzt rächt es sich, dass wir zwischen Flur, Küche und Wohnzimmer alle Türen ausgebaut haben und ich nicht so tun kann, als wäre der Zugang zum Wohnzimmer gerade versperrt. »Einen Moment!«, rufe ich durch die Tür, und Kirsten erwidert tobend: »Nein, keinen Moment mehr, ich rufe gleich meine Kollegen an. Ihr bohrt mir ja den Boden unter den Füßen weg! Macht sofort auf, oder ich raste aus!« Hartmut steht mittlerweile hilflos in der Küche, Hans-Dieter steckt seinen Kopf aus dem Wohnzimmer und flüstert uns zu: »Los, schnell, alle Bretter und Sachen in dein Zimmer, schnell!« Ich vertröste Kirsten noch einen Moment, während Hartmut und Hans-Dieter die Bretter, Seile und Ketten in mein Zimmer schaufeln und die provisorische Spanholztür zumachen. Dann öffne ich, Kirsten schießt, ohne mich anzusehen, ins Wohnzimmer und macht nur kurz »Wah!«, als sie den Krater in der Decke sieht.
»Wir wollten hier lediglich mal eine neue Lampe anbringen, so eine schöne alte Hängelampe«, sagt Hans-Dieter, »als uns die halbe Decke entgegenkommt.« Hartmut nickt erschrocken. »Du bist doch Polizistin, also wirklich, ich finde, da muss man doch mal was gegen die Hauseigentümer machen. Das kann doch nicht sein, dass man hier ein Loch für eine Lampe bohren will und dann das halbe Haus zusammenbricht. Auch die Risse da draußen und der Schrott im Keller. Kirsten, du kennst dich doch bestimmt aus mit dem Gesetz, sollen wir da nicht mal gemeinsam was unternehmen? Zumindest eine Mietminderung muss doch drin sein!« Kirsten stemmt jetzt den angewinkelten Ellbogen in die Hand, fasst sich mit der anderen ans Kinn, wechselt das Standbein und macht einen grüblerischen Eindruck. »Ja«, sage ich jetzt, »stell dir mal vor, man wolle noch was ganz anderes in die Decke bohren, einen Punching Ball etwa oder noch abenteuerlichere Sachen. Neulich habe ich von einem Mann gelesen, der ein Äffchen als Haustier hatte und dem eine ganze Kletterlandschaft unter die Decke baute. Kirsten, stell dir vor, dann wär hier alles zusammengebrochen.« Hartmut und Hans-Dieter sehen mich mit offenem Mund an. Dann setzt Hartmut nach: »Meinst du, du kannst mal herauskriegen, ob wir da was unternehmen können, auch jetzt hier mit dem Loch? Das muss ja auch bezahlt werden.«
»Wir sind da ja nur Laien«, sagt Hans-Dieter noch schnell.
Kirsten nimmt den Arm vom Kinn, sieht uns mit wachen Augen an und sagt nachdrücklich nickend: »Ja, Jungs, das finde ich mal heraus. Wir lassen uns doch von den Vermietern hier nicht alles gefallen. Die wollen wohl noch, dass wir das Haus von selbst zugrunde richten, und wenn wir weg sind, können sie es endlich abreißen. Ist denen doch eh ein Klotz am Bein, diese Dreckserbschaft!«
Wir nicken.
»Aber seht mir zu, dass ihr die Decke nicht mehr anfasst! Und lasst das stopfen. Hans-Dieter, du kennst doch bestimmt … «
»Jaja, ich weiß da schon jemanden«, sagt Hans-Dieter.
»Gut«, sagt Kirsten und geht in Richtung Tür. »Ich melde mich dann, wenn ich was weiß.« Ich mache eine peinliche »Daumen nach oben«-Geste, die sie tatsächlich erwidert. Dann geht die Tür zu, und wir drei brechen in Gelächter aus.
Die Kletterlandschaft wurde natürlich nie gebaut, die Bretter und Seile wurden zurückgebracht, ein Schwarzarbeiter aus Hans-Dieters Bekanntenkreis stopfte die Decke, und Kirsten erstritt durch bloße, geschickte Drohungen 100 Euro Mietminderung für uns alle. Yannick ist derweil zu Hartmuts Erstaunen immer braver geworden. Er benutzt sein Katzenklo, zerstört kaum noch Inventar und kann stundenlang auf der Couch liegen und uns beim Playstation-Spielen zusehen.
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