Hass
ich Charlotte Pallack überprüft. Aus diesem Grund habe ich euch auch heute hergebeten und die Kinder mit Lily und Simon ins Kino geschickt. Hat Charlotte Pallack behauptet, sie komme aus einer wohlhabenden Familie?«
Dix versuchte sich zu erinnern. »Eigentlich nicht. Aber sie hat auf jeden Fall den Eindruck vermittelt, sie sei die missverstandene Tochter aus gutem Hause, eine Rebellin. Also brannte sie als junges Mädchen mit einem Deutschen durch, hat ihn aber nicht geheiratet und kam zurück. Sie sagte, ihre Eltern seien tot. Sie hat einen Bruder. Da gibt es vielleicht irgendeine Geschichte, aber die habe ich nicht weiterverfolgt. Ich wollte nur noch weg.«
»Na gut, dann sage ich dir, was ich herausgefunden habe. Ich muss dazusagen, dass sogar MAX einige Zeit gebraucht hat, um etwas über Charlotte Pallacks Vergangenheit herauszufinden. Anscheinend hat Thomas Pallack sich sehr bemüht, alles im Verborgenen zu halten. Vielleicht war sie es auch selbst. Aber MAX konnte bei ihrer Heiratsurkunde beginnen.« Savich hielt inne. »Wir haben ein Mädchen namens Charlotte Caldicott in der Datenbank des Gesundheitsministeriums von North Carolina gefunden. Bei ihrem Vater hat sie nicht gelogen, der ist in der Tat tot. Er wurde bei dem Versuch, einen Spirituosenladen auszurauben, von der Polizei erschossen. Das war zwei Monate, nachdem er seine Familie verlassen hatte. Da war Charlotte gerade fünf.
Wie du schon sagtest, Dix, hat sie einen vier Jahre jüngeren Bruder, David Caldicott. Sie, der Bruder und die Mutter lebten in Durham, das hat auch gestimmt. Aber sie hatten keinen Cent. Althea Caldicott hatte zwei Jobs, um die Familie durchzubringen. Sie starb an Brustkrebs, als Charlotte elf und David sieben war. Die Kinder verschwanden im Pflegesystem, bis sie achtzehn waren. Dann hat MAX ihre Spur erst einmal verloren.«
Dix fragte: »Kein Collegebesuch?«
Savich schüttelte den Kopf. »Aber es ist interessant. Wo sie konnte, hat sie die Wahrheit gesagt. Ihr Bruder ist jetzt dreiunddreißig und spielt beim Atlanta Symphony Orchestra Violine. Offenbar hat ihn ein Pflegevater, Maynard Lee Thompson, ein traumhafter Geiger, unterrichtet. David war ein großes Talent. Maynard Lee hat ihm eine Geige besorgt und war wohl ein sehr guter Lehrer. Er starb, als David siebzehn war. Nach seinem achtzehnten Geburtstag ging David nach Europa. Prag, um genau zu sein, danach Paris und London. Laut seiner Biografie vom Symphonieorchester hat er in Clubs, in Parks, in Cafés, einfach überall gespielt.
Und jetzt gibt es noch einen unglaublichen Zufall, Dix, der, wie ich fürchte, das Ganze in ein neues Licht rückt. Als David Caldicott in die Staaten zurückkehrte, bewarb er sich und wurde bei deiner Lieblingsmusikschule – Stanislaus – angenommen.«
Dix starrte ihn nur an. »Das ist nicht dein Ernst.«
Ruth sagte: »Komm schon, Dillon, das hast du dir ausgedacht.«
Savich schüttelte den Kopf. »Nein.« Er atmete tief ein. »Er war in Maestro, an der Stanislaus, als Christie verschwand.«
Dix sprang von seinem Stuhl auf und ging im Wohnzimmer auf und ab. Sein Herz fühlte sich an, als würde es zerquetscht. Er nahm einen tiefen Atemzug und wandte sich dann den beiden anderen wieder zu. »Das ist doch verrückt, Savich. Ein schlechter Witz. Sie trug Christies Armband. Alles hängt irgendwie zusammen, aber wie? Wusste David, dass seine Schwester genauso wie Christie aussah? Hat er sie ermordet? Oder war es Charlotte? Aber warum, verflucht? Warum?« Dix schlug mit der Faust auf den Kaminsims und zuckte vor Schmerz zusammen.
Er rieb sich die Fingerknöchel und fuhr fort: »Und was ist mit Thomas Pallack? Er ist steinreich und mit David Caldicott verbunden – das muss so sein, denn Thomas kennt Chappy, er war in Maestro. Aber wie hat David Caldicott Pallack kennengelernt? Lieber Himmel, das alles bringt mich noch um.«
»Das ist schon eine harte Nuss«, sagte Sherlock.
»Ja, viele lose Enden«, sagte Ruth, »aber irgendwie gehören die alle zusammen.«
Dix schaute von einem zum anderen. »Wenn Charlotte unschuldig ist, und wenn auch ihr Mann unschuldig ist, wenn das alles ein wahnsinniger Zufall ist, warum hat sie mir dann nicht einfach erzählt, dass ihr Bruder die Stanislaus Music School besucht hat? So in etwa: ›He, Sie sind aus Virginia. Meine Güte, mein Bruder war auf der Stanislaus. Ist die Welt nicht klein?‹ Wäre das nicht die normale Reaktion?«
Savich sagte: »Das müsste man sie auf jeden Fall fragen. Aber sie
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