Hasstament
sich daran, als säßen ’se am Lagerfeuer und sprechen nur über Dünnschiss und kaufen sich dann bei Tschibo ’ne Yogamatte, weil sie Yoga machen, Yooooga! Früher war es Turnen, ja, die Inder lachen sich wahrscheinlich über uns kaputt, bei denen ist es Yoga, weil sie kein Geld haben für ’n Turnverein oder für ’n Tennisverein oder für ’n Schießverein! Bei uns ist es Yoga, weil es so unglaublich modern und hip und öko und hippie ist, so ’ne Scheiße! Und rasiert wird sich auch nicht mehr unten rum, weil das ist ja antifeministisch, deswegen haben ’se so Riesenurwälder zwischen den Beinen und verstopfen die Saunas mit ihren orangenhautgestählten, was weiß ich, bindeschwachen Oberschenkeln, aus denen die Kinder ja plumpsen, als wären ’se irgendwo losgelassen worden, Scheiße, ey!
Scheiße, geht mir das auf den Sack, ey! Scheiße!
Bärlauch-Pesto-Generation, Bionade saufendes Pack.
Scheiße, geht mir das auf den Sack! Dinkelkeksköpfe!
Scheiße, geht mir das auf den Sack! Gesundheitsdrinks vernichtende, Müll entsorgende, dreckig stinkende, unrasierte Fotzenfeministinnen!
Fffff …. hahahahahahaha! Hahahahaha!«
SHN, Kapitel 73: Haiti
Serdar zuhause: »Erdbeben auf Haiti, als ob mich das interessieren würde. Es gibt doch eh genug Menschen, da sollen mal ’n paar verrecken, damit wir hier mehr Fraß und Kohle haben! Wir, die wir hier auf der besseren Seite des Lebens stehen.
Und überhaupt, ständig wird irgendwo verreckt, mal sind’s Indonesier, dann sind’s Sri-Lankesen, Hund, Katze, Äffchen, Maus, mir doch egal! Und dann soll ich auch noch spenden, ja. Gut, manchmal spende ich, aber nur kurz vor Weihnachten, wenn ich mein schlechtes Gewissen beruhigen will. Kann doch nicht ständig spenden, jedem dahergelaufenen Erdbebenopfer aus Haiti schon gar nicht.
Außerdem, was kann ich dafür, dass die auf Haiti leben? Wussten die nicht, dass es da Vulkane gibt, dass es da manchmal tektonische Unregelmäßigkeiten gibt? Wie kommt man denn auf die Idee, nach Haiti zu ziehen? Da kann ich ja noch nicht mal in Urlaub hinfliegen. Da sollen ’se sich auch nicht wundern, wenn sie den Zorn Gottes auf sich ziehen und die Erde ’n bisschen wackelt.
Dann soll ich Mitleid haben, Mitleid hier, Mitleid da, mit allen soll ich Mitleid haben, mit AIDS-Kranken, mit Tsunami-Opfern, mit hungernden Kindern, ich hab’ auch Hunger. Mit mir hat keiner Mitleid. Mir geht’s auch nicht immer gut, ich krieg’ auch keine Spende von irgendwelchen Haitianern, ja. Was ist mit mir? Nee. Nee, hab’ ich kein Mitleid, nee.
Wir gehen sowieso viel zu verschwenderisch mit unserem Mitleid um, ja. Aber nur dann, wenn’s uns auffällt, ansonsten halten wir raus mit unserem Mitleid. Wenn die Meldung groß genug ist, ja, dann wackeln wir zur Postbank und spenden, aber wenn wir nichts davon mitkriegen, dann geht’s uns am Arsch vorbei, gelinde gesagt. So viel Mitleid kann man gar nicht haben, wie es Leid gibt, ja, das man mitzubekommen hat. Müsste man dauerhaft Konten einrichten, überall auf der ganzen Welt, ja. Und jetzt eben Haiti, na und? Oder war’s Tahiti? Keine Ahnung, Hauptsache viele!
Ist doch auch ’n Regulativ, ob jetzt ’n Meteor einschlägt oder ’n Stück von der Erde abbröckelt, ja, es gibt nicht für alle Platz, hin und wieder muss auch mal gestorben werden und Gott sei Dank wird dort gestorben, wo man sowieso wenig Geld hat.
Da hat man auch nicht mehr aufzubauen, ich mein’, wär’ ja viel schlimmer, wenn man jetzt Frankfurt am Main wieder aufbauen müsste, das sind ja teure Gebäude. Gut, deswegen stürzen ’se auch nicht ein, aber in Tahiti, die paar Lehmhütten, die kann man eben wieder hinkotzen, so wie sie vorher wahrscheinlich schon hingekotzt wurden. Da muss man doch mit ’nem gewissen Risiko leben, das muss man doch in Kauf nehmen, wenn man auf Haiti ist, da kann man sich doch nicht wundern, wenn man plötzlich unter dem Geröll liegt, kann man doch nicht erwarten, dass unsere Leute hinfliegen für teures Geld, um die da wieder rauszuholen, und unsere Hunde deren Schweiß schnüffeln. Was hat den mein deutscher Schäferhund bitte schön mit irgendwelchen Bimbos zu tun, die unter haitianischem Geröll liegen?
Außerdem kenn’ ich diese Leute nicht, wie soll ich mit denen Mitleid haben? Die haben mich vorher nicht interessiert, warum sollen sie mich jetzt interessieren? Doch nur, weil ich mein Schicksal auf sie projiziere und mir vorstelle, wie ich unter dem Geröll liegen würde. Das
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