Hast du mich nie geliebt
genug.
Nikos war eine gefährliche Ablenkung.
Gefährlich und verführerisch zugleich.
Sie tauchte kurz unter, als könnte ihr dies helfen, den nagenden Zweifeln zu entfliehen. Als sie wieder auftauchte, waren sie leider immer noch da.
Am anderen Ende des Pools spielte ein jüngeres Pärchen mit seinen Kindern. Sehnsüchtig sah Janine zu ihnen hinüber. Es war ein so friedliches Bild. Das kleine Mädchen warf seinem Vater einen großen Ball zu und jauchzte laut, als er ihn auffing.
Plötzlich musste sie wieder daran denken, dass es in ihrer Kindheit keinen Vater gegeben hatte, dem sie sich so vertrauensvoll hätte zuwenden können. Traurigkeit beschlich sie.
Sie hatte sich gefragt, ob ihre Mutter überhaupt wusste, wer sie gezeugt hatte. Immer, wenn sie sie danach gefragt hatte, war sie ihr ausgewichen. Und irgendwann hatte sie es dann aufgegeben, weiter in sie zu dringen. Als Teenager war ihr klar geworden, dass ihre Mutter zur selben Zeit mit so vielen Männern geschlafen hatte, dass sie nicht mit Sicherheit sagen konnte, wer der Vater ihres Kindes war. Sie selbst schien das nicht zu stören, aber Janine hatte immer eine Lücke in ihrem Leben gespürt.
Auch ihr Aussehen hatte ihr keine Hinweise geliefert. Sie war das genaue Abbild ihrer Mutter, genauso blond, genauso schlank, genauso hübsch. Eines Tages musste sie erkennen, dass ihre Mutter sie um ihre Jugend beneidete.
Das war der Moment gewesen, als sie beschlossen hatte, ihren eigenen Weg zu gehen und sich von Louise zu trennen. Es war eine große Erleichterung für sie gewesen, endlich nicht mehr den ewigen oberflächlichen Reigen von Partys und Reisen mitmachen zu müssen. Bewusst hatte sie sich für einen anderen Weg und ein völlig anderes Leben entschieden.
Trotzdem war es ein Schock für sie gewesen, als sie vor drei Jahren von dem Tod ihrer Mutter erfahren hatte. Sie war gestorben, wie sie gelebt hatte – bei einem Autounfall im Wagen eines verheirateten Mannes, mit dem sie eine Affäre gehabt hatte. Die Obduktion hatte ergeben, dass beide randvoll mit Alkohol gewesen waren.
Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie keine Verwandten mehr, nur Freunde.
Ein Schatten fiel auf Janines Gesicht. Dann war Stephanos erschienen, wie ein Geschenk des Himmels. Sie würde ihm ewig dankbar sein. Und sie würde ihm alles zurückgeben, was er ihr bisher geschenkt hatte, koste es, was es wolle.
Was Nikos Kiriakis anging, so war es wohl das Beste, der ganzen Geschichte nicht allzu viel Bedeutung beizumessen.
Er konnte ihr gefährlich werden, das wusste sie genau. Und Gefahr war das Letzte, was sie im Moment brauchte.
Oh nein, ohne ihn ging es ihr viel besser.
Nikos trat hinaus auf den Balkon. Die Sonne ging gerade unter und tauchte den Garten in verschwenderisch goldenes Licht. Wie gemalt sahen die hohen Zypressen aus, und der Blick aufs Meer war atemberaubend. Stephanos hatte die Lage seines Hotels gut ausgewählt. Die Architekten hatten daraus ein wahres Schmuckstück gemacht.
Plötzlich entdeckte er Janine, die unten im Pool ihre Runden zog. Nachdenklich sah er ihr dabei zu.
Nicht nur in Bezug auf sein Hotel hatte Stephanos sich nur mit der absoluten Spitzenkategorie zufrieden gegeben. Dasselbe galt für seine Geliebte. Seit dem Tag, den sie gemeinsam verbracht hatten, wusste Nikos, warum Stephanos so verrückt nach ihr war. Es ging nicht nur um ihre Schönheit, die allein schon gereicht hätte, einem Mann den Kopf zu verdrehen. Es war alles an ihr – ihre Körpersprache, ihr Lachen, die Art, wie sie ihr blondes Haar zurückwarf. Jede Geste war eine Enthüllung für ihn. Er hätte ihr stundenlang zusehen können.
Eine Enthüllung – aber was dachte er da nur? Was war mit ihm geschehen? Er konnte sich nicht erinnern, dass ihn eine Frau jemals zuvor so in ihren Bann gezogen hatte.
Und eigentlich durfte er nicht einmal daran denken. Die Frau dort unten war der Anlass für den Kummer seiner Schwester. Und das allein sollte ihn interessieren.
Ich muss sie nur verführen, muss nur mit ihr ins Bett gehen. Nicht mehr und nicht weniger.
Das kann doch nicht so schwierig sein, sagte er sich mit einem Anflug von Ironie. Jedes Mal, wenn er an Janine Fareham dachte, begehrte er sie.
Plötzlich musste er wieder daran denken, wie sie bei der Ruine gestolpert war und wie er sie für einen kurzen Moment in den Armen gehalten hatte. Es hatte sich wundervoll angefühlt, so viel versprechend. Am liebsten hätte er sie gar nicht mehr losgelassen.
Und ihr war es
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