Hastings House
Hastings House.
Sie wollte aufstehen, da fiel ihr ein, dass sie am Fuß der Treppe gegen etwas gestoßen war, das ihren Sturz gestoppt hatte.
Neugierig richtete sie den Strahl der Taschenlampe nach unten.
Was da lag, schien auf den ersten Blick ein Bündel Kleidung zu sein.
Plötzlich wurde ihr der unangenehme Geruch bewusst, der in der Luft hing.
Verwesungsgeruch …
Sie bückte sich und leuchtete das Kleiderbündel Zentimeter für Zentimeter mit ihrer Taschenlampe ab.
Erst in diesem Moment begriff sie, dass vor ihr die Leiche einer Frau lag.
18. KAPITEL
J oes Herz pochte wie wild, als er am Fundort der Leiche eintraf.
Überall standen Streifenwagen, außerdem der Van des Gerichtsmediziners, und es wimmelte von Detectives. Joe war zusammen mit Robert Adair angekommen, der sofort die Leitung in die Hand nahm. In der Zwischenzeit machte sich Joe auf die Suche nach Leslie, die in diesem Gewimmel nicht zu sehen war.
Dann entdeckte er sie, wie sie zusammen mit Nikki bei einem der Polizeiwagen stand. Sie schien weder verletzt zu sein noch unter Schock zu stehen, vielmehr machte sie sogar einen unglaublich gelassenen Eindruck.
Sofort ging er zu ihr, fasste sie an den Armen und musterte sie aufmerksam. “Okay”, sagte er mit einem vorwurfsvollen Blick in Nikkis Richtung. “Jetzt erklär mir mal, was du in einem geschlossenen Eingang zur U-Bahn zu suchen hattest.”
Sekundenlang sah sie ihn nur an. Dann öffnete sie den Mund, hielt jedoch inne, als müsse sie ihre Antwort umformulieren. “Ich bin … einfach drauf gestoßen. Die Bretter waren lose, und ich wollte mal nachschauen.”
“Ganz bestimmt”, gab Joe zurück. “Entschuldige mich, ich muss zusehen, dass sie mich einen Blick auf die Tote werfen lassen.”
Zum Glück entpuppte sich einer der Cops, die den Zugang zur Gasse bewachten, als der Mann, dem er ein paar Nächte zuvor bei der Jagd nach dem Unbekannten begegnet war. Er ließ ihn durch zu Robert Adair, der am Fuß der Treppe stand. Einer der Detectives am Eingang zur U-Bahn wollte ihn aufhalten, doch Robert rief ihm zu, er solle Joe passieren lassen.
Die Tote war bereits stark verwest, und es wimmelte von Insekten aller Art, die sich wohl schon seit einiger Zeit von ihr ernährten.
Der Gerichtsmediziner richtete sich auf und klopfte den Schmutz von seinen Handschuhen. “Sie liegt schon eine ganze Weile hier, vermutlich zwischen vier und acht Wochen. Stellenweise ist das Fleisch komplett weggefressen worden. Hier gibt es eindeutig eine Rattenplage.”
“Aber es ist zweifelsfrei eine Frau?”
Der Mann nickte. “Schätzungsweise zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahre alt. Etwa ein Meter siebenundsechzig groß und um die sechzig Kilo schwer.”
“Keine angenehme Methode, um abzunehmen”, scherzte einer der Detectives nervös.
“Ja, ja, schon gut”, entgegnete Robert. “Todesursache? Können Sie mir dazu schon was sagen?”
“Sie wurde stranguliert. Mit ihrem eigenen Schal.”
“Ist sie eine von den Prostituierten?”, wollte ein anderer Detective wissen.
“Leute, ihr seht selbst, dass nicht viel von ihr übrig ist”, gab der Gerichtsmediziner zurück. “Ich liefere euch die Fakten, sobald ich welche habe.”
“Okay”, meinte Robert fluchend. “Verdammt, wir wussten, dass sie irgendwo abgeblieben sein mussten. Seit zwei Monaten tot … dann dürfte sie die bislang letzte vermisste Prostituierte sein.”
Oder Genevieve O’Brien
, überlegte Joe.
“Es sei denn, das ist Genevieve O’Brien”, sagte jemand in der Gruppe im gleichen Augenblick.
Doch trotz des Zustands, in dem sich die Tote befand, wusste Joe, dass dies unmöglich Genevieve O’Brien sein konnte. Das Haar dieser Frau dort wies nicht den geringsten rötlichen Schimmer auf. Um das zu erkennen, musste er nicht erst den Bericht des Gerichtsmediziners abwarten.
Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass Leslie mit ihrer “Vision” richtig lag und Genevieve tatsächlich noch lebte.
Als er zum Polizeiwagen zurückkehrte, an dem Leslie und Nikki warteten, bekam er mit, dass sie einem der Cops den Ablauf detailliert schilderte. Doch Joe wusste sofort, dass ihre Schilderung nicht der Wahrheit entsprach. Angeblich war sie hinter den Bauzaun gegangen, um ihre Strumpfhose gerade zu ziehen, dabei sei sie versehentlich auf die Holzabdeckung getreten, ein Brett habe nachgegeben, und dann sei sie am Fuß der Treppe gelandet, wo die Tote lag. Nikki habe daraufhin den Notruf gewählt und dafür gesorgt, dass
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