Hasturs Erbe
sich ihr entzog. Er fühlte, wie er aus seinem Körper und wieder hineinglitt, unfähig, die jagenden, verwirrten Gedanken von allen zu ertragen. Mit wildem Sehnen dachte er daran, an Bord eines startenden Raumschiffes sein zu wollen, frei, diese kleine Welt voller Intrigen hinter sich zu lassen. Einen Augenblick lang stand er in Kennards Erinnerung auf dem weit entfernten Planeten Terra, kämpfte, kämpfte mit dem Anspruch von Ehre und Pflicht gegen alles, wonach er sich sehnte, zurück zu dem Erbe, für das er geboren war und das auf ihn wartete, ein Weg den er gehen mußte, ob er nun wollte oder nicht … fühlte die Wut seines Großvaters: Rafael, Rafael, du hättest mich nicht so verlassen … hörte Dyans langsame, zynische Worte: Eine besondere Art von Zuchttier, dessen Erträge den Comyn gezahlt werden … Die Last zwang ihn körperlich auf die Knie. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermischten sich, wirbelten herum. Er sah Danis Hand auf seinem Schwert, fühlte, wie sich seine Gedanken öffneten, alles überschattend. Sohn von Hastur, welcher der Sohn des Lichts ist! Er weinte wie ein Kind. Er flüsterte: »Für das Haus Hastur … schwöre ich …«
Kennards Hände, heiß und geschwollen, berührten seine Schläfen. Er merkte einen Augenblick lang, daß Kennard ihn aufrecht hielt. Langsam verebbte die schneidende Flut von Gefühlen, Vorwissen, Erinnerungen. Er hörte Kennard sagen: »Schwellenkrankheit. Keine Krise, aber es geht ihm ziemlich schlecht. Redet mit ihm, Sir.«
»Regis!«
Regis kämpfte mit sich und flüsterte: »Großvater, Lord Hastur … ich schwöre … ich will schwören …«
Sanft schlossen sich die Arme seines Großvaters um ihn. »Regis, Regis, ich weiß. Aber ich kann nun keiner Bitte von dir entsprechen. Nicht in deinem gegenwärtigen Zustand. Die Götter wissen, ich will es, aber ich kann nicht. Du mußt das uns überlassen. Du mußt einfach, Kind. Wir werden mit Dyan fertig. Du hast alles getan, was notwendig war. Nur bleibt dir jetzt nichts anderes, als zu gehen, wie Kennard sagt, und zwar nach Neskaya, um dich selber zu lehren, wie man die Gabe kontrolliert.«
Er versuchte noch einmal, sich hochzukämpfen … kniete auf kalten Steinen, Kristallichter um ihn her. Langsam, schmerzhaft drängten sich Worte auf, denen er nicht entkommen konnte: Ich vertraue mein Leben und meine Ehre … den Hasturs an … auf immer … und in schrecklichem Schmerz, wissend, daß er gegen eine geschlossene Tür ansprach, gab er sein Leben und seine Freiheit auf. Er konnte kein Wort herausbringen, nicht eine einzige Silbe, und er dachte, Körper und Gehirn würden unter den wühlenden Worten in ihm explodieren. Er flüsterte und wußte doch, daß keiner ihn hören konnte, und die Sinne schwanden ihm. »Schwöre … schwöre …«
Kurz traf sich der Blick seines Großvaters mit seinem, ein momentaner Anker in der wankenden Dunkelheit, in der er hing. Er hörte die Stimme Hasturs tief und mitfühlend sagen: »Die Ehre der Comyn liegt seit neunzig Jahren sicher in meinen Händen, Regis. Du kannst sie mir auch nun überlassen.«
Regis ließ zu, daß sie ihn hinlegten und fast ohnmächtig auf die Steinbank betteten.
Er ließ sich in eine Bewußtlosigkeit fallen, die fast wie ein Tod war.
14
(Lew Altons Erzählung)
Drei Tage lang hatte der Blizzard in den Hellers gewütet. Am vierten Tag wachte ich bei Sonnenschein auf, und die Gipfel hinter Burg Aldaran glitzerten unter ihrer Schneelast. Ich zog mich an und ging in den Garten hinter der Burg, blieb oben auf der Terrasse stehen und blickte hinab auf den Raumhafen, wo bereits große Maschinen unterwegs waren. Aus dieser Entfernung sahen sie winzig wie Käfer aus. Sie bewegten die dicken Schneeschichten. Kein Wunder, daß die Terraner ihren Raumhafen nicht hierher verlegen wollten!
Anders als in Thendara wirkten hier der Raumhafen und die Burg wie ein großes Ganzes, nicht wie streitlustige Riesen, die in die Schlacht zogen.
»Du bist früh auf, Cousin«, sagte eine helle Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und stand vor Marjorie Scott, die warm in einen pelzbesetzten Umhang mit Kapuze eingehüllt war, der ihr Gesicht umrahmte. Ich verbeugte mich förmlich.
» Damisela! «
Sie lächelte und streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin gerne früh draußen, wenn die Sonne scheint. Es war so dunkel während des Sturms.«
Während wir die Terrassen hinabgingen, nahm sie meine kalte Hand und zog sie unter den Umhang. Ich mußte mir
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