Haunted (German Edition)
Schutt auf dem Boden, an die ausrangierten Möbel. Claire hatte recht. Irgendetwas ging hier vor.
Und es hatte nichts mit Miles zu tun.
Er wünschte, Claire hätte Miles nie erwähnt. Seit damals ging ihm dieser ganze schreckliche Vorfall durch den Kopf, und im Hinterkopf, hinter allem, was er sagte oder tat oder dachte, wie ein leises Summen, stand eine unbiegsame Traurigkeit, eine emotionale Schwärze, die drohte, zu einer Depression aufzublühen, sollte er innehalten, um sie zu untersuchen.
Letzte Nacht hatte er erneut diesen Traum gehabt.
Aber das hier war nicht Miles; das hier war etwas anderes, und als er über den Rasen auf die Haustür zulief, unterdrückte er diese Gedanken und betrachtete das Haus an sich. Obwohl er wusste, was er wusste, gab es daran nichts Unheimliches. Die Vorderseite des Bauwerks ähnelte keinem Gesicht; keine geisterhafte Gestalt huschte durch die Dunkelheit hinter einem der Fenster. Das Gebäude sah nach dem aus, was es war: das Zuhause einer normalen Mittelklasse-Familie.
Durstig trat Julian durch das Wohnzimmer und durch das Esszimmer in die Küche, wo er sich ein Heineken aus dem Kühlschrank holte. Er blickte hinüber zur Kellertür. War dort unten wirklich ein Mann gestorben? Das schien unmöglich zu glauben. Während er auf der Veranda eines Nachbarn gestanden und darüber gesprochen hatte, war die Vorstellung glaubwürdig genug gewesen. Aber hier, im Inneren des Hauses, ganz nahe an dem Ort, an dem es sich ereignet hatte, war der Gedanke wahrhaftig entsetzlich. Obwohl es vor mehreren Jahren und vor zwei Besitzern passiert war, erschien die Tatsache, dass jemand innerhalb der Mauern ihres Hauses gestorben war, wie das ordinärste und persönlichste Eindringen in die Privatsphäre.
Julian lief hinüber, öffnete die Kellertür, schaltete das Licht an und ging die Stufen hinunter. An der Wand vor ihm sah er weiße Kratzer, wo Claire das schimmlige Gesicht abgekratzt hatte. Ansonsten erschien der Keller durchschnittlich, ein Abstellraum, nicht mehr und nicht weniger.
In welcher Ecke war der Mann gestorben?, fragte er sich. Das Bild war seltsam: ein nackter Mann, in einer Ecke sitzend, tot. Er versuchte, es sich vorzustellen, aber das Chaos aus Schachteln und Säcken machte das beinahe unmöglich.
Er stand mehrere Minuten da, versuchte etwas zu spüren, versuchte etwas zu fühlen, und als er das nicht tat, lief er wieder nach oben, schaltete das Licht aus und schloss die Tür.
Es war Sonntag, und Claire und Megan waren zum Haus von Claires Eltern gefahren, um dort zu Mittag zu essen, also waren er und James auf sich allein gestellt. Julian blickte auf die Uhr. Es war fast zwölf Uhr mittags; kein Wunder, dass er Hunger bekam.
Wo war James? , fragte er sich. Bevor Julian nach draußen gegangen war, um Einladungen zu verteilen, war der Junge im Wohnzimmer gewesen und hatte ferngesehen, obwohl er gesagt hatte, dass er vielleicht in seine »Einsatzzentrale« gehen würde, nachdem die Show vorbei war. Julian lächelte. Er und seine Freunde hatten ein Geheimversteck gehabt, als sie in James’ Alter waren – einen Verschlag auf einem unbebauten Grundstück, aus ausrangiertem Material einer nahegelegenen Baustelle errichtet –, und er verstand den Reiz. Manche Dinge änderten sich nie.
Er schaute aus dem Fenster über dem Spülbecken, mit der Absicht, zu sehen, ob er in dem Raum über der Garage eine Bewegung erkennen konnte, aber James befand sich am Boden, auf Knien, über einem Loch im Garten gebeugt. Aß er Erde? Es sah so aus, aber es ergab keinen Sinn. Stirnrunzelnd ging Julian nach draußen. Bei dem Geräusch der quietschenden Scharniere der Fliegengittertür, schaute sein Sohn auf. Ein Ring Erde umschloss seinen Mund.
»Was machst du da?«, wollte Julian wissen.
»Nichts«, antwortete James und stand auf. Aber er hatte einen schuldvollen Ausdruck im Gesicht, und Julian konnte darin Verwirrung vermischt mit Schuld erkennen, Verwirrung und Angst.
»Was geht hier vor?«, fragte er, dieses Mal weniger barsch.
»Ich weiß nicht, Dad«, sagte James und fing an zu weinen. Julian konnte sich nicht erinnern, wann sein Sohn das letzte Mal so in Tränen ausgebrochen war. Obwohl seine Anfangsreaktion auf die Tatsache, dass der Junge offensichtlich Erde aß, Zorn gewesen war, wandelte sich der Zorn in Sorge um.
Julian lief hinüber, schaute in das Loch und sah nichts Ungewöhnliches. Er legte die Hände auf James’ Schultern. »Warum hast du Erde gegessen?«
»Ich weiß es
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