Haunted (German Edition)
komplettes Bild der bis dahin nicht enthüllten Vergangenheit der Region. Oscar Cortinez hatte nicht nur viel recherchiert und ermittelt, was seinen Unterricht prägte, sondern bot den Schülern und zukünftigen Bürgern von Jardine auch einen kostbaren Blick auf ihre eigene Geschichte. Er verdiente es, für seine Leistungen gelobt zu werden, nicht gefeuert, und Claire würde dafür sorgen, dass diese Ungerechtigkeit nicht straffrei blieb – sobald sie fertig war, sich eingehend mit dem ganzen Hintergrundmaterial zu beschäftigen, das ihr der Lehrer zur Verfügung gestellt hatte.
Claire schloss die Tür zu ihrem Büro ab, zog die Vorhänge zu, damit sie nicht gestört werden würde …
damit sie Pam nicht sehen konnte
… holte sich eine kalte Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und machte es sich in ihrem Schreibtischstuhl bequem.
Sie las.
Zweiundzwanzig
1598
Nachts wieherten die Pferde.
Die Ureinwohner hatten sie gewarnt, nicht über die Hügel zu gehen, aber Miguel Huerta und seine Männer wollten den primitiven Ängsten der Wilden nicht gestatten, sie von ihrer Mission abzuhalten, also zogen sie weiter und schliefen in jener Nacht in einem breiten Tal ohne Fluss, das völlig unbewohnt blieb, trotz des Überflusses an Stämmen in der Region. An dieser Stelle hatte sich einst ein gewaltiges Massaker ereignet, nach Angaben von Tsictnako, ihrem Guide, und seit diesem Tag, Generationen zuvor, hatten die Leute diesen Ort gemieden, aus Angst vor dem Geist, der hier lebte, der unsichtbaren Kraft, die dazu geführt hatte, dass Brüder ihre Brüder abschlachteten, und die bewirkt hatte, dass Wahnsinn über alle Überlebenden hereinbrach, egal ob Sieger oder Opfer.
Der Guide hatte nicht hierherkommen wollen, er hatte sie nur unter Androhung von Folter über die Hügel geführt und sie irgendwann in der Nacht im Stich gelassen, sie allein in diesem feindlichen, gottvergessenen Land zurückgelassen, eine Tatsache, die Huerta entdeckte, als er von dem Wiehern der Pferde aufgeweckt wurde.
Es war ein schreckliches, gottloses Geräusch, anders als alles, was er jemals gehört hatte. Alle seine Männer wurden von den grässlichen Schreien der Tiere aus dem Schlaf gerissen, und viele von ihnen fingen an sich zu bekreuzigen und zu beten, sie knieten sich hin und flehten Gott an, sie vor dem Bösen, das hier herrschte, zu beschützen. Die pragmatischeren Soldaten schnappten sich ihre Schwerter und bereiteten sich vor, das Lager zu verteidigen, aber die Pferde waren bereits frei und rannten immer noch wiehernd herum, ihre Stimmen wie die alter Frauen, die abgeschlachtet wurden, und die Soldaten waren gezwungen, ihnen hinterherzujagen. Huerta blieb zuerst zurück, um sicherzustellen, dass sie nicht angegriffen wurden, aber als klar wurde, dass es keinen Angriff gab und dass die verrückten Pferde die Gurte selbst durchgebissen hatten, anstatt von Menschen befreit worden zu sein, befahl er sechs seiner betenden Soldaten, Wache zu schieben, während er den Männern folgte, die den Pferden nachjagten.
Die Nacht war finster, und obwohl der Mond schien, strahlte sein Licht die Welt darunter nur wenig an. Die Gruppe Männer, die vor ihm aufgebrochen war, hatte eine Fackel mitgebracht, und nachdem er sich selbst eine genommen hatte, folgte Huerta ihrem sich auf und ab bewegenden Licht durch die Gräser und niedrigen Büsche über kleine Hügel und Mulden.
Zwanzig Pferde. Sie hatten insgesamt zwanzig Pferde, und jedes einzelne von ihnen war in die gleiche Richtung gerannt, als wäre es von irgendetwas verfolgt worden.
Oder von irgendetwas angezogen worden.
Er holte seine Männer ein, bevor sie die Pferde fanden, und sie alle stießen zufällig zusammen auf sie. Die Rosse wieherten immer noch, aber das Geräusch war seltsam zu hören, und es schien, als wären sie noch ziemlich weit entfernt. Also war es überraschend, als Huerta, der die Führung übernommen hatte, zwischen zwei ungewöhnlich dichten und stacheligen Büschen hindurchging, nur um zu sehen, wie das Licht seiner Fackel auf die Körper der Tiere fiel.
Sie waren aufeinander losgegangen. Sie rollten am Boden herum und kämpften, eine sich windende Masse aus Muskeln, Haaren und Hufen, die in dem flackernden orangen Licht wie ein einziges riesiges mehrköpfiges Monster aussah. Einige der Pferde waren bereits tot, ihre Bäuche blutig und aufgebissen, Brocken aus ihren Hälsen und Flanken herausgerissen, ihr Muskelfleisch aufgefressen von den schnappenden Mäulern ihrer
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