Hauptsache, es knallt!
staubtrockenen Paragraphenreiters. Ich zucke kurz zusammen, als ich ihn sehe, aber im nächsten Moment denke ich mir, vielleicht ist das ja ganz gut für Janina. Ein größerer Gegensatz zur verregneten Ackerschlamm-Hippie-Hochzeit ihrer Eltern als Herr Tschymbowski geht gar nicht.
Herr Tschymbowski fragt, ob er etwas für mich tun könne. Seine Stimme ist ausdruckslos wie ein Schluck Wasser. Ich druckse ein wenig herum und frage nach der Mitscherlich-Hochzeit. Ja, der Termin sei wirklich heute, und ja, um Punkt elf, und nein, er habe nicht die Absicht, eine längere Rede mit selbst ausgedachten witzigen Anmerkungen zum Thema Ehe zu halten. Sehr gut, denke ich mir. Richtiger Tag, richtige Uhrzeit, keine doofe Rede von einem wildfremden Scheitelträger. Nun kann wirklich nichts mehr schiefgehen. Ich atme durch, und Herr Tschymbowski rollt dazu ungnädig mit den Augen. Mist. Ist er jetzt etwa für den ganzen Rest des Vormittags genervt? Und bin ich schuld?
»Tut mir leid, Herr Tschymbolz… bowski. Ich wollte nur sichergehen, ne.«
Ich wende mein Liebenswerter-Trottel-Grinsen an. Sonst meine schärfste Waffe, wenn es darum geht, Leute dazu zu bringen, mich zu mögen, aber Herrn Tschymbowskis Augen rollen unbeirrt weiter. Vielleicht doch lieber ein kleines Witzchen?
»Hehe, ich meine, kam doch bestimmt schon mal vor, dass wegen einer Terminverwechslung falsche Leute verheiratet wurden, was, hehe?«
Er schaut irritiert. Mist, Witze machen alles nur noch schlimmer. Meine Stimme schnappt leicht über. Ich hätte dieses Zimmer nie betreten sollen.
»Also, hehe, stell ich mir halt nur so vor. Wenn da zum Beispiel einer keine Ahnung hat, dass er eine Stunde zu früh dran ist, und er ist aufgeregt und schaut nicht groß hin, und bevor irgendeiner eingreifen kann, sagt er einfach ja. Und peng – verheiratet!«
Was jetzt mit Herrn Tschymbowskis Gesicht passiert, ist wirklich seltsam. Zuerst zuckt er komisch mit dem Mund herum, und es kommt mir vor, als würde er gleich zu weinen anfangen. Aber noch während ich darüber nachdenke, welchen empfindlichen Punkt ich wohl gerade mit meinen Überlegungen zu Vermählungs-Verwechselungen getroffen habe, entflieht seinen Lippen auf einmal ein Geräusch, das ich überhaupt nicht einordnen kann.
»Pfffüüüpppfffüfüfüüüüpppffffüüüüüfüfüfü!«
Herzrhythmusstörungen? Verdauungsbeschwerden? Ein Dämon, der plötzlich in ihn gefahren ist? Brauchen Sie Hilfe? So reden Sie doch!, will ich ausrufen, aber meine Zunge klebt fest.
»Pfffüüüpppfffüfüfüüüüpppffffüüüüüfüfüfü!«
Tränen treten in seine Augen. Moment, Moment. Er … lacht?
»Pfffüüüpppfffüfüfüüüüpppffffüüüüüfüfüfü!«
Ja, er lacht! Ein Glück, wir sind gerettet.
»Pppfffüfüfüentschuldigung … Peng! Pfffüüüpppfffüfü! Peng! Pfffffüfüfüfüüüü! Peng – verheiratet! Das haben Sie wirklich schön gesagt! Pfffffüfüfüüüüpppfff!!! … Entschuldigung.«
Er schließt die Augen und schnauft ein paarmal tief durch. Armer Kerl. Es ist ihm peinlich. Wenn er wüsste, wie gut ich diese Lachmisere kenne. Ich betrachte die Landschaftsbilder an seiner Bürowand und versuche mich so zu verhalten, als fände ich alles ganz normal. Mehr kann ich nicht für ihn tun. Und für die Hochzeit ist das Ganze eh nur gut. Wenigstens ist er jetzt nicht mehr genervt.
Am Ende schafft es Herr Tschymbowski erstaunlich schnell, sich wieder einzukriegen. Ob er da irgendwelche Gedankentechniken hat? Lieber nicht fragen. Nicht heute. Wir plaudern noch ein paar Anstandssätze, dann verabschiede ich mich. Er gibt mir die Hand. Ich glaube, er mag mich jetzt doch. Wunderbar, hätte doch gar nicht besser laufen können.
Im Flur hängt ein großer Spiegel. Ich zupfe mir noch einmal mein Jackett und den ungewohnten Schlips zurecht, teste mein Lächeln und begebe mich zurück zu Patrick. Der Platz vor dem Eingang füllt sich immer mehr mit perfekt herausgeputzten Traumhochzeitsgästen. Alle haben gute Laune. Was für ein Anblick. Wenn das Brautpaar gleich vorfährt, wird es auf eine massive Wand aus freudiger Erwartung stoßen.
»Ist der Fotograf eigentlich schon da, Patrick?«
»Da bin ich überfragt. Keiner weiß, wie er aussieht. Er muss aber ziemlich gut sein.«
»Das will ich hoffen.«
»Der hat sogar richtig Kunstfotografie an der Kunsthochschule studiert, sagt Markus. Ein alter Freund aus seiner Hannover-Zeit.«
Wie auch immer, wenn er in fünf Minuten nicht da ist, SMSe ich Markus,
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