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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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nicht mehr damit aufhören. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur ein paar hingestammelte, hingestotterte Worte heraus.
    »In den Staaten des Mittleren Westens gibt es nicht mehr als, nun, sagen wir, fünfzehn oder sechzehn Millionen Menschen, und ich schätze, nicht mehr als sechs oder sieben Millionen davon sind Männer. Der Rest sind Frauen, und natürlich würde ich keine der Frauen heiraten, also bleiben nur die Männer übrig, die ich heiraten könnte, und hier sind Sie nun, genau hier, und ich weiß ziemlich gut Bescheid über Sie. Ich bin mit einigen Ihrer kleinen Gewohnheiten vertraut, und ich verstehe Sie sehr gut. Nur muss ich mir erst noch die anderen sechs oder sieben Millionen anschauen, um mich zu entscheiden. Es sieht also gut aus für Sie. Verstehen Sie? Als Sie eben so töricht waren, mich zu fragen, ob die Chance besteht, dass wir beide Babys zusammen haben, Erdhäuser zusammen haben, ist Ihnen da gar nicht aufgefallen, wie nahe Sie daran waren, den Kopf auf den Nagel zu schlagen?«     
    »Uh-uh.« Die Hände in den Hosentaschen, befühlte Tike seine Beine. Er lehnte sich an die Wand, und seine Gedanken wanderten hinaus in das Schneetreiben. »Gott nein. Ich, ahh, eh, hab nich gesehen, dass ich meinen Kopf, ahh, auf den, ahh, Nagel geschlagen hab.« Und dann dachte er, wie albern das ganze Gespräch geklungen haben musste, ließ seinen Blick am Fenster herunterwandern und sah, wie der Schnee hereinwehte und sich mit dem Staub vermischte.
    Ella May auf ihrem Bett gluckste und lachte in sich hinein. Blanche ließ Tike am Fenster stehen und ging zu Ellas Bett. »Haben Sie Ihren Mann und mich reden hören?«, fragte sie. Und Ella May lachte wieder und antwortete: »Nein, ich hab mich nur darüber amüsiert, wie diese kleine Armee in meinem Bauch um ihre Freiheit kämpft. Wie sie darum kämpft, das Licht der Welt zu erblicken. Oder den Staub der Welt.«
    Tike redete mit sich selbst. Mit den Fingern machte er Bewegungen wie ein Schlammbagger und sagte: »Hmmm. Teufel noch eins, ich müsste zehn Häuser aus Erde bauen, bevor ich n gottverdammtes Mädchen wie Blanche auch nur küssen könnt.«

D ie Dunkelheit war früh, gegen sechs Uhr, hereingebrochen, und Ella Mays Wehen hatten fast genau um halb zehn eingesetzt. Blanche ließ das Wasser weitersieden, und alles, was sie benötigte, lag griffbereit. Sie hatte Ella aus ihrem Hauskleid in ein sauberes weißes Baumwollnachthemd geholfen. Inzwischen war der Schnee draußen liegen geblieben. Der Wind trieb die Schneeflocken in wirbelnden Wolken umher, seine Geschwindigkeit wirkte schneller, lauter, einsamer. Und die Stunden der ersten Wehen waren für Ella May so langsam und so fröhlich, so eintönig und so konfus vergangen wie das Schneetreiben draußen. Der Wecker auf dem Apfelsinenkistenregal zeigte an, dass es halb zwei war, ein neuer Tag. Die eigentlichen Geburtswehen hatten Ella regelrecht überfallen, und Tike ging auf und ab, rang die Hände, pulte an seinen Fingernägeln, rieb sich Wangen und Hals und zog so lange an seinen Ohren, bis ihm der Schmerz durch die Schläfen schoss.
    In seiner Nervosität sagte er zu sich selbst: »Diese Blanche is kaltherzig, das is alles. Die hat einfach kein Herz. Darum läuft sie mit so ner Jammermiene rum und is überhaupt nich aufgeregt. Hat n Herz wie ne Marmorplatte.« Aber in seinem Innern wusste er, dass er sich etwas vorlog. Er wusste, dass er nur seine eigene Unkenntnis verteidigte. Was, wenn er allein hätte helfen müssen, den kleinen Tike auf die Welt zu bringen? Der Gedanke traf ihn wie ein Blitz, und er fühlte sich kalt und steif wie ein im Schneesturm gefrorener Pflock. Er wusste nicht, wie er Blanche sagen sollte, dass er sich freute, weil sie da war, herumging und herumredete, die Dinge mühelos tat, die Dinge richtig tat. In seinem Kopf stürmte es so heftig, dass er sich auf die unterste Stufe setzen und ihn in die Hände nehmen musste. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, klopfte mit den Füßen den Takt zu Melodien und spürte, wie sich sein Leben senkte und hob im Einklang mit Ella Mays Stöhnen und Seufzen.
    Er war es müde, auf und ab zu gehen, war es müde, nur dazusitzen und das Kinn in die Hände zu stützen, war es müde, zu zittern wie Eiskristalle an einer Pflanze, also stand er auf und wollte durchs Zimmer zum Bett gehen, wo Blanche Ella May im Auge behielt, die von Wehen überwältigt wurde. Er hatte kaum einen Schritt in ihre Richtung getan, als Blanche ihn

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