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Haus der bösen Lust (German Edition)

Haus der bösen Lust (German Edition)

Titel: Haus der bösen Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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Dollar die Woche.«
    Poltrock starrte den Mann angesichts des überwältigenden Angebots an, und als die Worte der Zusage seinen Mund verließen, hätte er schwören können, den Geruch von Urin wahrzunehmen.

Kapitel 4
    I
    Collier konnte sich nicht erinnern, was in dem Traum geschehen war, aber er wusste noch, was er gerochen hatte.
    Urin.
    Er erwachte verstört und mit trockenem Mund. Ja, es war der Geruch von Urin, der ihn im Schlaf heimgesucht hatte, und als er sich aufsetzte, glaubte er, sich an weitere Einzelheiten zu erinnern – keine visuellen Eindrücke, sondern Geräusche.
    Ein stetes, beinah melodisches Geräusch, Metall, das auf Metall trifft. Er dachte an gegeneinanderklingende Metallstangen oder an Hämmer, die auf Stahl schlugen. Und noch etwas anderes ...
    Ein Pfeifen?
    Ja. Ein Pfeifen wie auf einem Bahnhof.
    Er träumte überhaupt selten, und wenn, dann in der Regel von Dingen, die er sehen konnte – von Menschen oder Orten. Nicht von Geräuschen und Gerüchen.
    Als er sich aus dem Bett rollte, ertappte er sich dabei, zuerst über Lotties und dann über Mrs. Butlers Körper nachzudenken.
    Verdammt noch mal!
    Neben dem Sekretär stand ein schmales Nachtkästchen mit Marmorplatte. Die Uhr darauf verriet ihm, dass es 18:30 Uhr war. Ich habe doch Jiff zu Cusher’s eingeladen, oder? Um sieben.
    Er stand auf und duschte sich in dem kleinen, aber behaglichen Badezimmer.
    Warum riecht man in einem Traum Pisse?
    Ein weiterer verwirrender Umstand, bezeichnend für den gesamten Tag. Kurze Erleichterung setzte ein, als er noch einmal über die Geräusche nachdachte. Metall auf Metall. Hämmer! Vorschlaghämmer, die Nägel einschlagen – natürlich! Es konnte nur für die Geräusche von Männern stehen, die Gleise verlegten, was durchaus Sinn ergab, da Mrs. Butler den Bau einer Eisenbahnstrecke durch Harwood Gast Ende der 1850er erwähnt hatte. Collier erinnerte sich an die Vitrine mit dem alten Lohnscheck, den sie ihm gezeigt hatte – ausgestellt von einer Bahngesellschaft.
    Die East Tennessee & Georgia Railroad Company , besann er sich. Auch das Pfeifen in seinem Traum konnte nur das Pfeifen eines Zugs gewesen sein.
    Ein Rätsel gelöst, so nutzlos es auch sein mochte. Dann stellte er sich in einem plötzlichen Tagtraum vor, wie er unter der Dusche stand ... mit Lottie ...
    Wenn diese Geilheit an der frischen Luft und der herrlichen Umgebung liegt, dann ziehe ich hierher, sobald die Scheidung von Evelyn durch ist, scherzte er bei sich. Lachen konnte er jedoch nicht, denn ein Punkt beunruhigte ihn nach wie vor.
    Dieser Geruch ...
    Bedauerlicherweise drehte sich eine von Colliers frühen Kindheitserinnerungen um Urin. Er war etwa zehn gewesen, als ihn sein Vater auf eine lange Fahrt mitnahm. »Komm, Junge. Wir besuchen Opa in dieser besonderen Wohnung, in der er lebt.« Collier war damals zu jung, um das Konzept von Pflegeheimen vollständig zu begreifen, aber die Grundidee verstand er. Überall dort roch es übel, und abgesehen von fernen Schreien herrschte vorwiegend Stille. »Hier ist sein Zimmer, mein Sohn. Denk daran, was ich dir gesagt habe. Opa geht es seit einiger Zeit nicht gut. Unter Umständen erkennt er uns nicht. Wir tun trotzdem so, als wäre alles normal.« Collier ahnte also schon, dass sein Großvater in keiner guten Verfassung sein würde. Als sie jedoch das trostlose Zimmer betraten, würgte er, genau wie sein Vater. In dem Raum stank es erbärmlich nach Urin.
    Das Bett seines Großvaters war leer und voller gelber Flecken. Im Bett daneben drehte ihnen ein anderer Mann, der wie ein graues Skelett aussah, jäh das Gesicht zu und keifte zahnlos: »Dieser Scheißer tut nichts anderes, als vor sich hinzubrabbeln und zu pissen! Hat das verfluchte Bett in einen richtigen Schwamm verwandelt.« Ein knochiger Finger wedelte in ihre Richtung. »Und diese faulen Säcke hier wechseln die Matratzen nur, wenn einer von uns stirbt!« Collier brach angesichts der schockierenden Schimpfkanonade in Tränen aus, die ihm allerdings bereits der schiere Gestank in die Augen getrieben hatte. Durchdringend, beißend, abgestanden. Sein Vater scheuchte ihn rasch hinaus, und da erfuhren sie, dass sein Großvater an jenem Morgen gestorben war. Collier erinnerte sich noch an die Fahrt nach Hause, die in seltsamer, erstickter Stille verlief. Noch lange, nachdem seine Tränen getrocknet waren, hatten seine Augen gebrannt. Sogar ihre Kleider hatten nach Harn gestunken.
    Derselbe unverkennbare Geruch wie in Colliers

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