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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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genau. Ich war nicht fähig gewesen, mich länger zurückzuhalten, und hatte laut Victors Namen gerufen. Und er hatte sich erschrocken umgedreht. Konnte das bedeuten... ?
    Unverwandt sah ich Jennifer an. Sie blieb viel länger als sonst. Oder vielleicht war auch ich es, die länger blieb. Ganz gleich, mein Rendezvous mit der Vergangenheit dauerte länger an, als ich erwartet hatte, und ich fragte mich, ob das einen besonderen Grund hatte.
    Warum konnte ich Jennifer immer noch sehen ? Hatte das einen bestimmten Sinn ? Sie stand hier ganz allein in diesem Zimmer, so wirklich und leibhaftig wie meine Großmutter hier zu stehen pflegte, und sie trocknete sich die Augen mit einem Taschentuch, das sie aus dem Ärmel ihres Kleides hervorgezogen hatte. Sie und ich waren allein hier im Zimmer und doch durch Jahre getrennt. Sie lebte im Jahre 1892. Ich lebte in der Gegenwart. Wieso waren wir immer noch zusammen ?
    Eine Ahnung kam mir, die ich zunächst als absurd verwarf. Doch sie drängte sich mir von neuem auf und ließ mich nicht mehr los.
    Ich konnte Jennifers Parfüm riechen, das Knistern ihrer Röcke hören, ich konnte sie sehen und ihre Nähe spüren, und ich fragte mich, ob das, was ich gehofft und gefürchtet hatte, nun vielleicht endlich geschehen würde; daß nun der Weg zur Verständigung über die Sprache sich öffnen würde und ich so ganz in das Geschehen einbezogen werden würde. Da alles so real war, sollte es da nicht möglich werden, miteinander zu sprechen ? Hatte sich nicht Victor umgedreht, als ich seinen Namen gerufen hatte ? Aber sie konnte mich ja nicht einmal sehen. Sie stand nur Zentimeter von mir entfernt und nahm mich nicht wahr. Was würde geschehen, wenn ich sie ansprach ? Würde dann eine echte Verbindung, eine beiderseitige Verbindung hergestellt werden ? Ich beschloß, es zu riskieren. Das einzige, was geschehen konnte, war, daß sie verschwand. Und da Harriet schon fort war und nichts weiter sich ereignete, würde sie bald sowieso verschwinden. Ich wollte es versuchen. Ich wollte sie ansprechen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, schluckte alle Befürchtungen hinunter, räusperte mich und sagte laut und klar: »Jennifer !«

    13

    Meine Großmutter mußte lautlos ins Zimmer gekommen sein. Erst als sie die Vorhänge aufzog, erwachte ich. »Schau dir nur diesen gräßlichen Regen an!« sagte sie mit ärgerlichem Kopf schütteln.
    Ich wälzte mich auf die Seite und blinzelte in die von Regenschleiern verhangene Welt vor dem Fenster. Dann drehte ich mich wieder auf den Rücken und blickte zur Zimmerdecke hinauf. Mein Kopf dröhnte.
    »Du hast aber lange geschlafen«, stellte meine Großmutter fest, während sie im Zimmer umherhumpelte. »Das ist ein gutes Zeichen. Da hast du wenigstens mal richtig Ruhe bekommen.« Beinahe hätte ich gelächelt. Großmutter hatte keine Ahnung, daß ich erst bei Sonnenaufgang eingeschlafen war, nachdem ich praktisch die ganze Nacht aufgesessen hatte.
    »Der Tee ist gleich fertig. Möchtest du heute mal Sirup auf deinen Toast, Kind ? Der gibt dir vielleicht ein bißchen Energie.« Obwohl Großmutter sich bemühte, resolut und kraftvoll zu sprechen, fiel mir auf, wie müde ihre Stimme klang. »Dein Großvater hat immer gern Sirup auf sein Brot gegessen. Hm, und zum Essen mach ich uns den Fisch, den Elsie gestern mitgebracht hat. Nach Morecambe Bay können wir bei diesem Wetter auf keinen Fall fahren.« Ich sah wieder in die graue Düsternis hinaus und fragte mich, wie lange wir in diesem Haus gefangen sein würden. »Großmutter«, sagte ich und setzte mich auf. »Gestern hat kein Mensch Großvater besucht. Wie soll das denn heute werden ?«
    »Also, wir fahren bestimmt nicht ins Krankenhaus. Vielleicht fährt dein Onkel William allein hin. Ich kann jedenfalls bei diesem Wetter keinen Fuß vor die Tür setzen. So, und jetzt geh ins Bad und mach dich fertig, damit wir frühstücken können.« Ich rannte die Treppe hinauf, wusch mich in aller Eile und ging ins Vorderzimmer, um mir frische Sachen zu holen. Eine Viertelstunde später saß ich schon wieder unten am Tisch. »Man spürt den verdammten Wind durch sämtliche Fensterritzen, nicht wahr ?« sagte Großmutter, während sie ihren Toast mit Butter bestrich.
    Ich betrachtete ihr Gesicht im kalten Morgenlicht, sah die blauen Lippen, die fahle Haut, die geschwollenen Augen. »Du hast nicht gut geschlafen, nicht wahr, Großmutter ?«
    »Nein, Kind, weiß Gott nicht. Ich sag dir ja, bei solchem Wetter tun mir

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