Haus des Blutes
Rücken, schloss die Augen, als das grelle Sonnenlicht sie blendete, und streckte sich. Sie stöhnte, hob die Arme hoch über den Kopf, machte ihre Beine so lang, wie sie konnte, und streckte ihre Zehenspitzen aus. Als sie sich nicht mehr länger dehnen konnte, entspannte sie ihre Muskeln und machte es sich wieder auf der weichen Federkernmatratze gemütlich. Sie blinzelte, kniff die Augen zusammen, um sie vor dem Sonnenlicht zu schützen, und musterte ihre Umgebung.
Kings Gemächer schienen bei Tageslicht noch beeindruckender zu sein, falls das überhaupt möglich war.
Das Zimmer kam ihr riesig vor, noch größer, als sie es aus der letzten Nacht in Erinnerung hatte. Eine Kleinfamilie hätte problemlos hier einziehen können, ohne sich Sorgen machen zu müssen, die Privatsphäre der anderen zu stören. Die unzähligen Bücherregale aus Nussbaumholz, die vom Boden bis zur Decke reichten, erinnerten sie an die Bibliotheken großer Universitäten. Ihr kam der Gedanke, dass die Bücher womöglich nur Zierde waren. Wie sollte sie jemand innerhalb eines kurzen menschlichen Lebens auch alle lesen?
Es sei denn, sein Leben währte mehrere Jahrhunderte.
Tja, überlegte sie, womit wir wieder beim Thema wären.
Nun, es ließ sich kaum verdrängen. Ihr neuer Liebhaber war ein übernatürliches Wesen mit Kräften, die sie gleichzeitig in Ehrfurcht versetzten und ihr Angst einjagten. Absurd. Aber nicht zu leugnen. Das Hochgefühl, das ihr der Flug durch Raum und Zeit verschafft hatte, wirkte in ihrer Erinnerung noch nach.
Gleiches galt jedoch auch für das, was sie an jenem unterirdischen Ort irgendwo in England gesehen hatte. Die Sklaven. Die Erniedrigungen. Die Tode. Und irgendwo unter diesem Haus befand sich ein Platz, der diesem sehr ähnelte. Während sie den Luxus dieses unglaublichen Bettes genoss – mit Abstand das sinnlichste, dekadenteste Bett, in dem sie jemals geschlafen oder gefickt hatte –, litten irgendwo in den Tiefen der Erde zahlreiche Menschen.
Sie rekelte sich zaghaft hin und her.
Wollte noch nicht aufstehen.
Nicht einmal die reflexartigen Schuldgefühle, die in ihr aufstiegen, waren stark genug, um etwas daran zu ändern. Die Balkontüren standen offen und gaben einen berauschenden Ausblick auf die grüne Gebirgslandschaft frei. Die warmen Sonnenstrahlen kitzelten angenehm auf ihrer nackten Haut. Sie erschienen ihr wie die sanften Berührungen eines Geliebten, Fingerspitzen, die über zitterndes Fleisch strichen. Dream fuhr mit ihrer Hand an der Innenseite ihres Oberschenkels entlang, erschauderte bei der Erinnerung an Kings Streicheln und spielte an sich herum.
Sie erinnerte sich daran, wie sie auf der Bettkante gekniet hatte.
Ihre Lieblingsposition.
Erneut jagte ein Schauer durch ihren Körper. Sie glaubte, seinen imposanten Schwanz in sich zu spüren. Neuen Liebhabern gegenüber war sie oft zu schüchtern, um das Thema anzuschneiden. Wenn sie mit jemand zusammen war, fand sie sich wochenlang mit den üblichen Stellungen – Kerl oben, Frau oben – ab, ehe sie den Mut aufbrachte, ihnen anzuvertrauen, was sie sich wirklich wünschte. Sie waren jedes Mal begeistert, und sie kam sich dumm vor, weil sie es nicht früher aufs Tablett gebracht hatte. Manche von ihnen reagierten hingegen irritiert auf ihren Wunsch und gingen davon aus, dass sie von ihnen in den Arsch gefickt werden wollte.
Dan zum Beispiel.
Natürlich …
Jetzt wurde ihr einiges klar. Wieso war ihr das nicht schon früher aufgefallen?
Sie musste kichern.
Das ist einfach verrückt, dachte sie.
Hier war sie, umgeben von völligem Wahnsinn, amüsierte sich … und spielte an ihrer Muschi herum.
Was war falsch daran?
Sie wusste, dass sie eigentlich aufstehen, sich anziehen und darauf vorbereiten sollte, schnellstens zu verschwinden. Kein Mensch, der bei klarem Verstand war und wusste, was sie wusste, hätte auch nur eine Sekunde gezögert. Irgendwo auf dem Boden lag ein Knäuel aus ihren Klamotten. Sie stellte sich vor, wie sie aus dem Bett kletterte, es entwirrte und das Zimmer verließ, um nach Alicia und Karen zu suchen. Ihre Freundinnen befanden sich irgendwo in diesem Haus. Sie musste sie dringend warnen.
Stattdessen rührte sie sich nicht von der Stelle.
Was stimmt nicht mit mir?
Hatte man sie unter Drogen gesetzt? Sie bemerkte jedoch keines der vertrauten Symptome, die sie aus ihrer Zeit im Krankenhaus und der Nervenheilanstalt nur zu gut kannte. Von der typischen Erschöpfung oder Gefühllosigkeit war nichts zu
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