Haus des Blutes
Geräusch nach zu urteilen – erlitt tiefer im Wald allem Anschein nach Höllenqualen. Shane hatte nur einen einzigen Schrei aus dieser Richtung gehört, was ihm irgendwie seltsam vorkam. Ganz in der Nähe nahm er außerdem eine flüchtige Bewegung und das wilde Rascheln von Blättern und Zweigen wahr – und das Geräusch von etwas Riesigem, das durch das Laub stapfte. Die genaue Position war schwer zu bestimmen – nicht dass Shane auf eine Konfrontation besonders scharf gewesen wäre. Besonders deshalb nicht, weil das, was diesen entsetzlichen Lärm verursachte, aller Wahrscheinlichkeit nach auch den Schrei ausgelöst hatte.
Shane runzelte die Stirn, als ihm bewusst wurde, dass es genau die Art von Schrei war, der ein Kinoheld ohne zu zögern nachgehen würde – ohne einen einzigen Gedanken an seine persönliche Sicherheit zu verschwenden.
Shane musste an durch Inzucht gezeugte Hinterwäldler-Psychopathen mit Jagdmessern denken.
Okay, scheiß auf den Heldenmist!
Es war höchste Zeit, von diesem verdammt unheimlichen Ort zu verschwinden. Nachdem Shane diese Entscheidung getroffen hatte, bewegte er sich zurück in Richtung der Straße, wobei sein Verstand auf Hochtouren lief, um eine glaubwürdige Geschichte zu spinnen, die er den anderen als Ausrede für seine Feigheit auftischen konnte.
Der Geräuschkulisse nach zu urteilen, würde das nicht allzu schwierig werden. Direkt vor ihm hörte er eine Menge Lärm. Karen schrie erneut. Die schrille Fotze. Bei Gott, mit ihr Schluss zu machen, war wirklich schon lange überfällig. Klar, ein gut aussehendes kleines Ding, aber möglicherweise neigte sich seine asiatische Phase doch allmählich dem Ende zu.
Vielleicht würde er sich als Nächstes eine Blondine angeln.
Eine durchgeknallte kleine Schlampe wie Dream.
Oder vielleicht sogar Dream selbst.
Sicher, warum auch nicht – im Moment war sie auf jeden Fall leicht zu manipulieren.
Shane war so in sich selbst und seine sexuellen Obsessionen versunken, dass er das Knacken der Zweige gar nicht richtig wahrnahm, als die Kreatur aus den Schatten auftauchte und sich vor ihm aufbaute. Sie war riesig, an die 2,50 Meter groß, und mit verfilztem, zotteligem Fell bedeckt.
Ein Hund, dachte er. Ein genetisch mutierter, verflucht riesiger Hund.
Aber nein, diese Kreatur hatte eindeutig etwas Wölfisches an sich …
»Heilige Scheiße.« Die Worte sprudelten aus ihm heraus. »Ein verdammter Werwolf.«
Die Kreatur fletschte die Zähne und knurrte ihn an.
Shane taumelte rückwärts, stolperte über einen Stein und knallte gegen einen Baumstamm. Er lehnte sich mit dem Rücken dagegen, während das Biest langsam näher kam. Shane wusste, dass er wegrennen sollte, aber im Moment musste er seine geistigen und körperlichen Kräfte komplett darauf verwenden, aufrecht stehen zu bleiben. Aber nicht einmal das gelang ihm: Seine Beine zitterten so stark, dass er sie nicht länger unter Kontrolle hatte. Ganz langsam rutschte er am Baumstamm hinunter. Als die Kreatur sich noch weiter näherte, erkannte er einen frischen Blutspritzer auf ihrem Fell. Shane musste sofort an den geheimnisvollen Schrei denken, den er gehört hatte, und war sicher, dass die Frau erledigt war.
Ebenso wie er selbst, wurde ihm bewusst.
Das Biest türmte sich bedrohlich vor ihm auf, und als er seinen widerlichen Atem roch, musste er die Nase rümpfen. Das Ding stank, als gurgelte es mit abgestandenem Abwasser. Shane starrte zum breiten Maul hinauf und zuckte zusammen, als riesige Speicheltropfen auf sein Gesicht spritzten. Die Zähne, von denen das Vieh unfassbar viele hatte, sahen aus wie mehrere Reihen gezackter Messer. Gelbe Augen leuchteten schwach in der Dunkelheit. Shane murmelte ein aufrichtig reuevolles Gebet, während die Bestie langsam ihren massigen Schädel zu seiner Kehle herunterbeugte.
Dann schien doch noch Rettung in Form von Karens nicht mehr allzu weit entfernter Stimme zu nahen. Schon komisch, dass sie plötzlich wie die Stimme eines Engels klang. Ein Engel der Barmherzigkeit. Die Kreatur riss ihren Kopf herum, als sie das Geräusch herannahender Schritte vernahm.
Eine Stimme in Shanes Kopf flüsterte: Lauf weg, du Vollidiot!
Er musste es tun. Diese kurze Ablenkung war vielleicht die einzige Chance, die er bekam, um alles wiedergutzumachen. Er fühlte sich mit einem Mal sehr religiös und schwor Gott, ein besserer Mensch zu werden, wenn Er ihn nur heil aus dieser Sache herauskommen ließ. Und nicht nur das, er würde sich wieder mit
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