Haus des Blutes
Schulter, legte seine Hände wie einen Trichter an den Mund und rief: »Coleman!«
Ein weiterer Wachmann entfernte sich von dem Gehege und trottete zu ihnen herüber. »Ja?«
Stephens deutete mit einem Kopfnicken auf Chad. »Behalt den da im Auge, während ich mit der Dame das Geschäftliche regele.«
Coleman grinste. »Klar.«
Die Wache und Cindy betraten den Tunnel, und Chad sah mit vor Tränen verschwommenem Blick zu, wie sie hinter der nächsten Biegung verschwanden. Eine Minute verstrich, aber es schien nichts zu passieren.
Und dann hörte er sie.
Zuerst ganz leise. Dann lauter. Hohe, kreischende Schreie sexueller Ekstase.
Cindy.
Und eine Reihe tieferer, testosterongeschwängerter Grunzlaute.
Stephens.
Das Ganze dauerte eine ganze Weile an.
Chad ließ seinen Tränen freien Lauf. Er bezweifelte, dass er in Worte fassen konnte, wie unendlich traurig ihn machte, was in diesem Moment vor sich ging. Es war falsch. Eine unverzeihliche Beleidigung des Universums. Das war zwar eine sehr melodramatische Umschreibung, das war ihm durchaus bewusst, aber genau so empfand er es nun einmal.
Er wurde von dem Verlangen erfasst, diesen Ort zu zerstören. Es reichte ihm nicht länger, von hier zu fliehen. Nicht mehr. Er würde sich mit nichts weniger zufriedengeben als mit vollkommener Zerstörung. Einem Inferno. Einem Aufstand der Unterdrückten, der eine ausgleichende Gerechtigkeit erzeugte, die ebenso rücksichtlos war wie die abscheulichen Vergehen gegen die Menschlichkeit, derer sich die Machthaber dieser Unterwelt offenbar gewohnheitsmäßig schuldig machten.
Aber das war lächerlich.
Er war Systemanalytiker, kein Revolutionär.
Wie konnte er ernsthaft hoffen, in dieser trostlosen Welt etwas zu verändern?
Als Cindy und der Wachmann wieder aus dem Tunnel auftauchten, schien sie es vermeiden zu wollen, Chad anzusehen. Er fing ihren Blick nur einmal kurz auf, versuchte, ihr seine Sorge und sein Mitgefühl zu übermitteln, aber sie wandte sofort die Augen ab.
Der Wachmann, der Cindy mit in den Tunnel genommen hatte, schickte Coleman wieder weg. »Du bist beim nächsten Transport mit an Bord. Er fährt in etwa einer Stunde ab. Du und dein Sklave, ihr werdet nach Unten gebracht. Und du musst die Dokumente mitführen, die deinen Status als befreite Sklavin bestätigen.«
Dann war er verschwunden und ließ Cindy und Chad unbewacht zurück.
»Siehst du?«, sagte sie. »Ich weiß schon, was ich tue.«
Chad nickte. »Sicher.«
Aber in seiner Stimme lag eine gewisse Distanziertheit und sein Blick wirkte abwesend.
Er dachte über die Freiheit nach.
Darüber, die Fesseln der Unterdrückung abzuwerfen.
Und er dachte sehr intensiv über Vergeltung nach.
Kapitel 17
Eddie träumte. Schon wieder. Aber diesmal wirkten die Visionen nicht so lebendig, eher flüchtig und nicht ganz ausgereift. Das Gefühl der Klarheit und Pseudorealität war verschwunden. An seine Stelle war eine seltsame Mischung aus körperlicher Lust und der verwirrenden Vorahnung einer sich anbahnenden Katastrophe getreten. Er sah einen Haufen brennender Leichen, hörte Schreie, die so laut und schmerzgeplagt klangen, dass sie sein Trommelfell zu zerfetzen drohten. Der Gestank des Todes lag in der Luft. Und mittendrin tauchte immer wieder die Frau aus seinem letzten Traum auf, nur um anschließend wieder zu verschwinden und von Neuem zu erscheinen.
Dream!
Ein betörend schönes Bild blitzte hier und da durch einen dichten Nebelschleier auf. Aber vielleicht waren es auch Rauchwolken, der wabernde schwarze Qualm einer Feuersbrunst. Auch wenn Eddie nicht genau verstand, was passierte, spürte er, dass sich die Frau in extremer Gefahr befand. Gleich würde etwas Schreckliches mit ihr geschehen, etwas Unaussprechliches, und – das war der unheimlichste Teil des Ganzen – sie schien es zu begrüßen, sich sogar darauf zu freuen.
Dann sah er die Frau erneut, deutlicher als zuvor. Sie trug auch in diesem Traum wieder das dünne, durchscheinende blaue Kleid, das sie beim letzten Mal ausgezogen hatte. Diesmal erschien sie ihm weniger bedrohlich, weniger geneigt, sich in eine gelbäugige Bestie zu verwandeln.
Er war sich nicht sicher, woran das lag, aber später würde er zu dem Schluss gelangen, Einblicke in eine andere – wenn auch undeutliche – mögliche Realität erhalten zu haben. Das Schicksal der Frau war noch nicht besiegelt. Er spürte, dass sie verletzlich war, empfänglich für Ideen, die sie normalerweise nicht in Betracht ziehen würde.
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