Haus des Blutes
dass Dream sie mit voller Wucht zu spüren bekommen hatte.
Also schlug sie verbal um sich.
»Du bist nicht mein beschissenes Kindermädchen.«
Dream war über ihren eigenen Temperamentsausbruch entsetzt.
»Tut mir leid, Alicia.« Sie schluchzte. »Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid.«
Alicia kam wortlos auf sie zu, nahm sie in ihre Arme und wischte ihre Tränen weg. Sie hielt Dream ganz fest und wiegte ihren Körper sanft hin und her. Dream kuschelte sich in die Kuhle am Hals der Freundin. Ihr Körper wurde immer wieder von Schluchzen erfasst. Die starken Arme, mit denen Alicia sie umschlang, beruhigten sie und zeugten von innerer Stärke. Das war es, was sie an Alicia am meisten mochte. Sie war stark. Zuverlässig. Unerbittlich. Sie würde auch unter der größten Belastung niemals zusammenbrechen.
Wie jedes Mal, wenn Alicia sie tröstete, fühlte Dream sich sofort besser. Sie stieß einen zitternden Seufzer aus und löste sich aus der Umarmung. »Jetzt geht’s mir wieder gut.«
Alicia klang besorgt. »Bist du sicher, Schatz?«
Dream wischte sich über die Augen. »Ja.« Sie brachte ein zartes Lächeln zustande. »Es tut mir leid.«
Alicia verdrehte die Augen. »Oh, verdammt, entschuldige dich doch nicht ständig dafür, dass du auch nur ein Mensch bist.«
King räusperte sich lautstark.
Die drei Frauen drehten sich zu ihm um. Er saß auf seinem Sessel, die Beine übereinandergeschlagen, eine Hand ruhte auf seinem Knie. Auf sein Gesicht hatte sich ein amüsierter Ausdruck geschlichen. Dream empfand es als verstörend. Beunruhigend. Es lag etwas in seinem Blick, das sie nicht genau einstufen konnte, etwas … Und dann wusste sie es. Die Erkenntnis traf sie mit der Wucht eines Sacks voller Backsteine.
Er hatte die tränenreiche Szene als … amüsant empfunden.
Unterhaltsam.
Was für ein kranker Wichser!
Dream spürte, wie die Wut in ihr hochkochte.
Aber …
Sie runzelte die Stirn und kaute auf ihrer Unterlippe herum.
Vielleicht hatte sie es auch falsch interpretiert.
Sie wünschte es sich beinahe.
Kings Miene veränderte sich erneut, wurde ernster. »Ich fürchte, dass vollkommen außer Frage steht, wo Sie heute Nacht unterkommen werden. Unsere Telefone funktionieren nicht.« Er zuckte entschuldigend die Achseln. »Ich weiß nicht, was das Problem ist, aber ich nehme an, dass die Techniker bereits an der Lösung arbeiten. Sie sind selbstverständlich alle herzlich eingeladen, die Nacht hier zu verbringen.«
Er lächelte. »Es ist wirklich das Beste. Alles wird schon viel besser aussehen …« Er unterbrach sich, sah Karen an und schien seine Worte noch einmal zu überdenken. »… oder zumindest erträglicher, wenn Sie morgen früh aufwachen. Ausgiebiger Schlaf kann manchmal Wunder bewirken.«
Alicia schnaubte. »Hören Sie! Was uns wirklich helfen würde, wäre, wenn uns jemand in die Stadt fahren könnte.«
Dream runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippen.
War das wirklich, was sie wollte?
Sie wackelte mit ihrem Fuß und versuchte, King nicht anzusehen.
Alicia, die nichts davon mitbekommen hatte, fuhr fort: »Ich möchte Sie wirklich nicht beleidigen, aber ich würde mich deutlich besser fühlen, wenn wir der Polizei melden könnten, was vorgefallen ist.«
»Chad ist immer noch da draußen«, warf Karen ein. »Man sollte schon längst nach ihm suchen. Er könnte in Gefahr schweben.« Sie räusperte sich und warf ihren Begleiterinnen einen entschlossenen Blick zu. »Vergesst nicht, wie uns vorhin zumute war.« Ihre Stimme klang plötzlich tiefer. »Unheimlich. Wie in der Twilight Zone .«
»Er steckt in Gefahr«, fügte Alicia hinzu. »Daran besteht kein Zweifel.«
Karen sah Dream mit rot umrandeten Augen an. »Wir hätten nie den Interstate verlassen dürfen.«
Dream zuckte zusammen.
Alicia seufzte. »Ja.«
Dream wollte nicht darüber nachdenken.
Nicht mehr.
King seufzte. »Es tut mir leid, meine Damen. Ich schicke meine Angestellten nicht gerne nachts den Berg hinunter, auch nicht bei besserem Wetter. Wir sind hier zwar nicht in dieser Twilight Zone, von der Sie reden, aber ich verstehe natürlich, dass extremer Stress, wie er Ihnen widerfahren ist, Sinnestäuschungen nach sich ziehen kann.
Ich lebe in einer sehr abgeschiedenen Gegend. Die Straßenverhältnisse sind tückisch, wie Sie gewiss bereits bemerkt haben dürften. Und die Bedrohung aufgrund der schlechten Witterung macht eine solche nächtliche Expedition gänzlich unmöglich, fürchte ich. Er
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