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Haus des Blutes

Haus des Blutes

Titel: Haus des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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zeigen.«
    Sie stieß ein begeistertes Quieken aus, beugte ihre Knie, änderte ihre Richtung und tauchte wieder hinab. Sie fühlte sich nun vollkommen befreit von Angst und schoss in einer atemberaubenden Geschwindigkeit auf den rotierenden Globus zu, die sie eigentlich zu Tode hätte erschrecken müssen. Dieses Mal glich die Erdatmosphäre der Hand eines Geliebten, warm, einladend und erregend. Sie tauchte durch die Wolken hindurch und blickte auf eine Wüstenlandschaft, die weit entfernt von Kings Haus in den Bergen lag.
    In der Ferne erkannte sie eine Pyramide, ein rötliches, vierflächiges Dreieck, das aus dem Sand aufragte. Eine neuerliche belebende Woge der Begeisterung raste durch ihren Körper, während sie rasant am Horizont entlangglitt – sie hatte Pyramiden bislang nur auf Fotos gesehen und schwelgte in den visuellen Eindrücken. Das Wunder dessen, was sie erlebte, erfüllte ihr Innerstes wie ein strahlendes Licht und ließ sie über ihre grenzenlosen Möglichkeiten staunen.
    Sie konnte überall hingehen.
    Alles tun.
    Alles sehen.
    Menschen in primitiven Gewändern tummelten sich am Fuß der Pyramide. Sie flog etwas tiefer und betrachtete ihre Gesichter. Es waren Arbeiter. Ihre Körper glänzten vor Schweiß und sie plagten sich mit ihren schweren Lasten ab. Dream wurde bewusst, dass es sich um Sklaven handelte.
    »Das hier ist nur ein winziger Einblick, Dream.« Sie hörte Kings Stimme direkt in ihrem Ohr, obwohl sie ganz allein durch die Luft schwebte. »Du hast mich nach Untertanen gefragt. Das ist das Königreich eines meiner Vorfahren. Und dies sind seine … Untertanen.«
    Dream verstand allmählich. »Dann hast du die Wahrheit gesagt: Du bist wirklich ein König. Es war nicht nur eine Geschichte.«
    »Nein, Dream, definitiv nicht. Und was du dort siehst, ist real, aber es ist lediglich ein kleines Teil des Ganzen. Es liegt in der Vergangenheit. Leider können wir nur hier und da kurze Eindrücke erhaschen. All diese Menschen sind schon seit langer Zeit tot.«
    Die Vision verblasste wie beim Ausschalten eines alten Röhrenfernsehers, und Dream bemerkte eine Art Verlagerung, eine zeitliche Verschiebung. Eine Millisekunde lang wurde alles Dasein in blendendes Weiß getaucht, dann zeigte sich eine neue Szene, eine abgeschiedene, ländliche Gegend in England zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie flog tief zwischen den Hügeln hindurch, vorbei an grasenden Schafen, und steuerte auf ein stattliches altes Haus zu. Ein Mann, der King überhaupt nicht ähnlich sah, stand auf der Veranda, und doch wusste sie, dass es sich um King handeln musste. Eine unumstößliche Gewissheit bemächtigte sich ihres Verstands. Er konnte aussehen, wie immer er wollte. Er war nicht menschlich. Er war … etwas Größeres.
    Etwas Besseres, hoffte sie.
    Dieses Wissen hätte ihr Angst einflößen müssen, aber das tat es nicht.
    »Dies ist ein weiterer Einblick, Dream. Er stammt aus meiner eigenen Vergangenheit, darum können wir hier länger verweilen. Mehrere Tage, wenn uns der Sinn danach steht. Aber wir werden nicht so lange bleiben. Ein paar Minuten sollten genügen.«
    Der Mann auf der Veranda – King, musste Dream sich selbst erinnern – drehte sich um und ging zurück ins Haus. Dream glitt mühelos durch die Tür. Sie stellte kein Hindernis für sie dar und bot kaum mehr Widerstand als ein Lufthauch. Der Mann, der ein Tweedjackett und einen Oxford-Absolventenring trug, lief einen Flur entlang.
    »Beachte ihn nicht, Dream.«
    Sie schwebte neben einer Treppe in der Luft. »Wo soll ich dann hingehen?«
    »Geh nach links, durch den Türbogen. In die Küche.«
    Dream tat, worum er sie gebeten hatte. Ein Teil von ihr wünschte sich zwar, fortzufliegen und weitere Wunder zu entdecken, aber er war ihr Führer für diesen Prozess der Erleuchtung, und sie befolgte bereitwillig seine Anweisungen, ohne sie infrage zu stellen.
    Die Küche war groß und verfügte über die übliche Ausstattung.
    »Wohin jetzt?«
    »Siehst du die Tür dort neben der Vorratskammer?«
    »Ja.«
    »Sie führt zum Keller. Ich möchte dich mit nach dort unten nehmen.«
    Dream spürte zum ersten Mal, seit sie sich auf diese erstaunliche Reise begeben hatte, wieder ein ängstliches Kribbeln. Aber sie beschloss, ihm zu vertrauen. Es war ohnehin nicht so, als hätte sie eine andere Wahl, oder? Sie konnte von diesem Karussell nicht absteigen, bevor es zum Stillstand gekommen war. Also glitt sie durch die Kellertür und schwebte eine dunkle Treppe hinunter, die

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