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Haus des Blutes

Haus des Blutes

Titel: Haus des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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große Reise. Bist du dazu bereit?«
    Sie nickte und murmelte etwas in seine Brust.
    »Gut.« Er küsste sie auf den Mund. »Dann möchte ich, dass du etwas für mich tust.«
    »Alles.«
    »Ich möchte, dass du deine Augen schließt, Dream. Schließ deine Augen und stell dir vor, du wärst ganz weit weg von hier. Stell dir vor, wie du auf einer Wolke schwebst, schwerelos, körperlos, ein freier Geist hoch über der Erde. Schwelge in dieser Freiheit, Dream, genieße sie.«
    Sie schloss die Augen.
    Sie lauschte seiner Stimme und ließ sich von den Bildern überwältigen, die seine Beschreibungen vor ihrem inneren Auge entstehen ließen.
    Anfangs erlebte sie nur dieselben Visualisierungen, die bereits verschiedene Therapeuten bei ihr ausprobiert hatten, um ihren Stress abzubauen. Ihr Geist malte sich eine der Szenerien aus, die King ihr schilderte. Sie war hoch über der Erde, stieg durch die Wolken über East Tennessee in den Himmel hinauf. Sie war nackt, eine geflügelte Göttin – die Idee hätte direkt aus einem Fantasyroman entliehen sein können. Es war schön. Beruhigend. Entspannend. Eine wunderbare Möglichkeit, dem Chaos, in das sich ihr Leben verwandelt hatte, zu entfliehen.
    Kings tiefe, sinnliche Stimme verstärkte dieses erhabene Gefühl sogar noch. Dennoch war sie sich darüber im Klaren, dass es sich nur um eine Übung handelte – während sie in ihrer Vorstellung die Bergkuppen überflog, spürte sie die Matratze, auf der sie lag, stets ebenso bewusst wie Kings Arm, der sie umschlang, und hörte die Geräusche der in sich zusammenfallenden Holzscheite im Kamin.
    Doch dann passierte etwas ganz Erstaunliches.
    Die fühlbare Realität der Matratze begann zu verblassen. Das Knistern des Feuers wurde leiser und verstummte schließlich ganz. Dream hatte das Gefühl zu fallen …
    … aus großer Höhe in die Tiefe zu stürzen …
    Dann spürte sie den Wind in ihrem Gesicht, spürte, wie ihr Haar hin und her flatterte und er ihren Körper streichelte, als wäre er die flüchtige Hand Gottes. Sie öffnete die Augen, blickte nach unten und stieß mit weit aufgerissenem Mund einen stummen Schrei aus. Ein grüner Teppich aus Baumkronen raste auf sie zu. Was als Nächstes passierte, war reiner Reflex: Sie breitete ihre Arme aus, richtete ihren Blick gen Himmel und stieg wieder nach oben. Sie drang in den wirbelnden weißen Nebel ein, sauste immer höher und durchbrach schließlich die Wolkendecke.
    Doch sie flog noch weiter, höher und höher. Sie wusste, dass sie die Erdatmosphäre durchbrechen und in die eiskalte, schwarze Finsternis des Alls eindringen würde, wenn sie so weitermachte. Anfangs jagte ihr diese Vorstellung Angst ein, aber ihre Intuition versicherte ihr, dass sie es unbeschadet überstehen würde. Nichts konnte ihr in diesem Zustand etwas anhaben. Vor allem nicht der Mangel an Sauerstoff, auf den sie in dieser Daseinsform offenbar nicht angewiesen war.
    Also stieg sie weiter.
    Legte die Fesseln dieses schmutzigen Planeten ab, der ihr Zuhause war. Die Erde verschwand unter ihr, schrumpfte zu einem Globus von der Größe eines Basketballs zusammen. Sie umkreiste den Mond, und ihr blieb vor Ehrfurcht der Mund offen stehen, als sie ihren Blick über die graue Felslandschaft schweifen ließ, die ihr aus alten NASA-Aufnahmen vertraut war. Sie raste zurück in Richtung Erde, schwebte in der Luft, hob ihre Arme über den Kopf und tanzte wie eine Ballerina, eine Solistin im himmlischen Rampenlicht.
    Das Gefühl ging weit über Freiheit hinaus.
    Es war ermächtigend.
    Weitaus berauschender als der stärkste Schnaps, der je eine irdische Destillerie verlassen hatte.
    Und es war real.
    Sie hinterfragte es nicht. Das kam ihr sinnlos vor. Ihr fielen Karens wütende Worte wieder ein, als sie sich mit Alicia über das Wesen gestritten hatte, das Shane getötet hatte. Sie sah, was sie sah. Sie vertraute ihrem Verstand und ihren Sinnen. Der Kern ihres Seins befand sich hier oben im All. Ihre körperliche Hülle lag noch immer in dem Bett in Kings Schlafzimmer, aber dennoch spürte und erlebte sie alles auf eine überschwängliche Weise, wie es einem Körper aus Fleisch und Blut niemals möglich gewesen wäre.
    Dann sprach Kings körperlose Stimme zu ihr: »Gefällt dir das, Dream?«
    Es fiel ihr schwer, zu verhindern, dass sich das jubilierende Grinsen auf ihrem Gesicht noch weiter ausbreitete. »Ja!«
    »Gut.« Sie spürte, dass er lächelte. »Komm wieder zurück auf die Erde. Ich möchte dir noch mehr

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