Haus des Todes
wissen, dass heute so was passiert?«
»Statistisch gesehen, kann so was jeden Moment passieren. Habt ihr niemanden als Reserve abgestellt?«
»Herrgott noch mal, Tate, es mag ja sein, dass du Landry nicht mochtest, aber wir schon.«
»Carl …«
»Keine Bange«, sagt er und klopft mir auf die Schulter. »Ich habe hier die Leitung, und ich sage dir, dass die Kollegen beim Anblick einer Leiche wieder nüchtern werden.«
»Wenn sie ihren Job verlieren, auch. Am besten, deine Kollegen steigen wieder in die Taxis und machen, dass sie hier wegkommen.«
»Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam Licht in die Sache hier bringen werden.«
Und tatsächlich scheint den Detectives, unter ihnen auch Detective Kent, gerade ein Licht aufgegangen zu sein. Denn sie kommen hinter den Bäumen hervor, marschieren zum Parkplatz und lehnen sich gegen die immer noch dastehenden Taxis. Sie haben nämlich kapiert, dass man ihnen einen Verweis erteilen oder, schlimmer noch, sie feuern wird, wenn sie eine bestimmte Grenze überschreiten. An den Fenstern stehen alte Menschen, von hinten beleuchtet vom Wohnzimmerlicht oder dem Schein eines Fernsehers; sie schauen sich die Show da draußen an, in der Hoffnung, bald Besuch zu bekommen.
»Gott, das ist ja widerlich«, sagt Schroder, während er beobachtet, wie ein weiterer Detective hinter einen Baum stürmt. »Aber immer noch besser, als in den Vorgarten zu pissen«, fügt er hinzu und rennt ihm hinterher, um seinem Beispiel zu folgen. Die uniformierten Beamten wissen nicht, was sie tun sollen. Ob sie ihre Vorgesetzten nach Hause schicken oder zulassen sollen, dass sie einen Tatort verunreinigen. Die Bewohner und Angestellten des Heims sind ebenfalls alles andere als begeistert, und es ist nur eine Frage von Minuten, bis die ersten Reporter hier aufkreuzen werden. Die Sache wird für Schroder und all die betrunkenen Cops ein schlimmes Ende nehmen. In nüchternem Zustand wäre jedem von ihnen klar gewesen, dass es ein Fehler ist, hier zu sein, aber das ist das Problem bei Betrunkenen – sie treffen die falschen Entscheidungen. In nüchternem Zustand weiß jeder, dass er nicht besoffen Auto fahren sollte, doch betrunken hält man es für gar keine so schlechte Idee. Deswegen bin ich letztes Jahr im Knast gelandet.
Die Seniorenanlage besteht aus zahlreichen Wohneinheiten, die an kleine Häuser erinnern; die Dächer sind alle schwarz und die Wände bambibraun gestrichen. Offensichtlich hat man sich bei der Planung der Anlage am Legosystem orientiert. Alles ist voller Blumen, so wie es alte Menschen mögen, doch die Pflanzen haben ihre beste Zeit schon hinter sich, und es dauert nicht mehr lange, dann wird die Kälte ihnen den Rest geben. Es gibt eine spezielle Beziehung zwischen Blumen und älteren Menschen – sobald man sechzig wird, steht man automatisch
auf Rosen und Rhododendronbüsche. Das Einzige, was Diebe davon abhält, täglich hier einzubrechen, ist vermutlich die Tatsache, dass es hier außer Plattensammlungen, Erinnerungen und Klamotten, die immer mal wieder in Mode kommen, nicht viel zu holen gibt.
»Sir?«, fragt einer der Beamten, während er zu mir herüberkommt. Er ist jung und wirkt nervös, vielleicht ist dies sein erster Tatort, jedenfalls wäre er jetzt wohl am liebsten woanders. »Anscheinend sind Sie der einzige Detective hier, der nicht angetrunken ist.«
Ohne darüber nachzudenken, nicke ich. »Womit haben wir es zu tun?«, frage ich.
Ich folge ihm zu einer Wohneinheit, vor der zwei Beamte stehen. Sie hat eine Veranda mit einem Schaukelstuhl, und das ganze Ding ist klatschnass. Bei gutem Wetter sitzen die alten Leute vielleicht hier draußen, schlürfen Limonade und reden vom Krieg, davon, wie weit es mit Christchurch inzwischen gekommen ist, und von den guten alten Zeiten. Die Beamten sprechen mit einem Mann in den Achtzigern; er ist ganz blass, denn was er vor einer halben Stunde entdeckt hat, hat ihm die Sonnenbräune aus dem Gesicht getrieben. Ein zweiter, dreißig Jahre jüngerer Mann wischt unablässig den Regen fort, der aus seiner Ponyfrisur tropft. Er ist kleiner und rundlicher, und es ist kein Namensschild erforderlich, um zu erkennen, dass er zur Heimverwaltung gehört, wahrscheinlich ist er der Geschäftsführer. Es ist nicht die erste Leiche, die er sieht – wenn man in so einer Anlage arbeitet, ist man ständig mit dem Tod konfrontiert –,
doch der Tod hinter Tür Nummer eins ist von einer anderen Sorte; diese Art von Tod erfordert
Weitere Kostenlose Bücher