Haus Ohne Hüter
konnten.
Graue Kittel hingen an einem Nagel, und hinten sortierte das Mädchen mit
den schmutzigen Händen Pilze in einen Korb. Hinter der gläsernen Tür einer Kabine saß eine Frau, die Rechnungen schrieb. Sie trug Lockenwickler im Haar und malte bedächtig mit einem Tintenstift Zahlen und Worte auf kleine Kupons.
Oben trommelte ein Junge mit Stöcken auf die Glasziegel. Der Takt kam durch den Schacht wie durch einen Trichter, und oben rief eine Mutter mit schriller Stimme: »Gib acht Ȭ gib doch acht. «
»Zertrampelt wurde er«, sagte Albert, »zu Tode getreten auf einem dieser Gänge. Die Leiche wurde nie gefunden.« Er trat plötzlich in einen Nebengang, zog Martin am Arm hinter sich her und zeigte in einen Raum, wo Pulte mit herausquellenden kränklichen Tasten dicht nebeneinander standen. »Und hier«, sagte Albert leise, »wurde dein Vater getreten, geschlagen Ȭ wie ich Ȭ , vergiß es nicht.«
»Mon dieu«, sagte der Mann mit dem grauen Kittel. »Seid nicht so wild«, schrie oben eine Mutter. Albert gab dem Mann mit dem grauen Kittel die Hand, sagte: »Danke, verzeihen Sie«, und zog Martin ins offene Tor. Draußen stand der Mann mit dem Dung, der offenbar mit Spannung erwartet wurde. Der Mann mit dem grauen Kittel stürzte lächelnd auf ihn zu, fingerte hastig am Verschluß des Anhängers herum, der an einem kleinen Personenauto befestigt war, und die beiden Männer schoben den Anhänger in das Innere der Kase Ȭ matte. Er war hoch gefüllt mit dampfendem, frischen Pferdedung.
»Es war schwierig, dranzukommen«, sagte der Mann, der ihn gebracht hatte,
»wir müssen aufpassen, irgend jemand will uns bei der Reitschule
Den Anhänger vor sich herschiebend, verschwanden die beiden Männer in der dumpf riechenden Dämmerung, und von innen klang es heraus:
»Reitschule Ȭ aufpassen Ȭ Konkurrenz.« Das Mädchen mit dem Strohhalm im Mund kam aus dem Mittelgang und schloß das Tor.
Martin wäre gern auf das Dach der Kasematte gestiegen, wo die Rosenbeete
waren, der Springbrunnen und die beiden Plateaus, von denen aus man den Rhein sehen konnte. Durch den alten Wassergraben wäre er gern gegangen, wo moosig überwucherte Betonbrocken herumlagen, alte Pappeln und Eichen oben an den Rändern standen.
Aber Albert zog ihn nach vorne, den steilen, asphaltierten Weg an den Büschen vorbei. Bolda saß neben dem Auto auf der Rasenböschung und winkte ihnen zu.
»Sei doch nicht so wild«, schrie eine Mutter oben im Park. »Gib acht Ȭ gib doch acht«, schrie eine andere. Geh nicht zu nah ran.«
Sie schwiegen, als sie ins Auto stiegen. Diesmal ging Bolda nach hinten, und sie strömte immer noch den heftigen Geruch der Sauberkeit aus. Nach frischem Wasser roch sie, nach Seifenlauge, Salmiakgeist, den sie ins Putzwasser mischte. Martin saß neben Albert und erschrak, als er ihn von der Seite ansah. Alt schien Albert geworden zu sein, ganz plötzlich, innerhalb eines einzigen Nachmittags. Alt war er, so alt fast wie der Lehrer, so alt wie der Tischlermeister, und Martin ahnte, daß es mit den Nazis zusammenhing, und schämte sich, daß dieses Wort nur unklare Vorstellungen hervorrief. Er wußte, daß Albert nicht log und die Nazis schrecklich gewesen waren, wenn Albert es sagte; aber Albert stand hier allein gegen all die vielen, die sagten, daß sie nicht so schlimm gewesen waren.
Albert packte ihn am Arm, so fest, daß es weh tat, und sagte: »Vergiß es
nicht. Ȭ Wenn du ȇ s vergißt, du!«
Und Martin sagte hastig: »Nein, nein, ich vergesse es nicht« und spürte noch den Schmerz an der Stelle seines Armes, wo Albert ihn gepackt hatte, und spürte, wie es in seine Erinnerung einging: dumpf riechende Dämmerung, Pferdedung, Orgelschränke merkwürdiger Art, mit Tasten wie Register, die tief ins Innere der Erde führten. Mord war dort geschehen, und es ging in ihn ein wie die Erinnerung an Vohwinkels Weinstube.
gen nicht weg, tu ȇ s nicht. Ich will alles tun, was du willst, und ich will ȇ s
ordentlich machen. Laß ihn nur hier.«
»Ja«, sagte auch Martin schüchtern, »geht denn Brielach mit nach Bietenhahn?« Er sah Brielach fern von Onkel Leo, ohne die Last, die er jetzt trug, er sah ihn nahe an der Butterdose, die Will ihm immer zuschob und lächelnd nachfüllte, sooft sie sich auch leerte. »Geht er mit«, fragte er eindringlich, »geht er mit, oder soll ich dort allein sein?«
»Ich werde bei dir sein«, sagte Albert, »ich werde dort wohnen, und Heinrich
kann dich besuchen, sooft er will. Ich
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