Haus Ohne Hüter
Boden und vom Boden aufs Bett flog, aber ausgezeichnet lief. Er hielt den Wecker im Auge und gab ihr Bescheid, wenn sie das Haus verlassen mußte. Er saß im Nachthemd auf dem Bett und las die Morgenzeitung, während Leen am Spirituskocher stand, Tee und Suppe kochte. Sobald der große Zeiger auf die
vor acht war, schnappte sie ihre Tasche, küßte ihn schnell und raste die Treppe hinunter zum Bus. Manchmal blieb ihre Suppe auf dem Spirituskocher stehen, und er aß gierig den faden Haferschleim, legte sich wieder ins Bett und schlief bis elf. Erst nach einem Monat hatten sie Geld genug, ein zweites Bett ins Zimmer zu stellen, und er konnte nachts schlafen. Nur manchmal wurde er aus tiefen Träumen gerissen, wenn etwas aus Leens Bett auf die Erde fiel: ein Buch oder eine halbe Tafel Schokolade oder eines ihrer schweren silbernen Armbänder. Er versuchte ihr beizubringen, was er unter Ordnung verstand, pedantisch aufgeräumte Schränke und einen sauberen Kocher. Er kaufte heimlich einen Schrank bei einem Althändler, ließ ihn, während Leen in der Schule war, ins Zimmer bringen und räumte alles schön ordentlich ein: Leens ganzen Krempel und ihre Kleider auf Bügeln, ordentlich und deutsch, so wie er es bei seiner Mutter gesehen hatte. »Es muß nach Linnen riechen, fri Ȭ schem Linnen« Ȭ aber Leen haßte den Schrank, und ihr zuliebe ließ er ihn wieder abholen und verkaufte ihn unter Verlust an einen anderen Althändler. Das einzige, was Leen duldete, war ein kleines Regal für den Kocher, den Wasserkessel und die beiden Kasserollen, die Büchsen mit Fleisch und Gemüse und ihre vielerlei merkwürdigen Gewürze und Packungen mit fertigen Suppen. Sie konnte vorzüglich kochen, und er liebte den Tee, den sie machte: ganz dunkel, tief golden schimmernd von unten herauf, und sie lagen nachmittags, wenn Leen aus der Schule zurück war, auf ihren Betten, rauchten und lasen und hatten die Teekanne auf einem Hocker zwischen den Betten stehen. Nur zwei Monate lang litt er ein wenig unter dem, was er damals noch Unordentlichkeit nannte, und er klagte über Leens so geringes Verlangen, Vorräte anzulegen: etwa zwei Bettücher mehr anzuschaffen. Aber sie haßte Vorräte, wie sie Schränke haßte, und erst später merkte er, daß sie Schränke haßte, weil Schränke meistens Vorräte enthielten. Sie liebte Luftballons, Kinos und war bei ihrer Wildheit sehr fromm. Sie schwärmte leidenschaftlich für die kitschigen Kirchen der Franziskanerpatres, bei denen sie beichtete: Sonntags schleppte sie ihn meistens zur Messe in das Nonnenkloster, wo sie während der Woche unterrichtete, und er ärgerte sich über die Nonnen, die ihn beharrlich »Miss Cunigan ȇ s husband« nannten und ihm den Frühstücksteller vollhäuften, weil sie herausbekommen hatten, daß er immer
te. Aber das war nur im Anfang, später fand er die Nonnen nett, und er aß
acht Scheiben Toast zum Frühstück und ließ den Nonnen den Spaß, über seinen sagenhaften Appetit zu lachen. Leen trainierte sonntags mit den Mädchen Hockey für irgendein Wettspiel, und er belächelte ihren Fanatismus und bewunderte ihr leichtes, so merkwürdig trockenes und hartes Spiel. Er machte eine seltsame Figur am Rande des Spielplatzes, der »husband von Miss Cunigan«. Wenn das Training vorbei war, mußte er mit Leen drei Runden um den Platz laufen, und die Mädchen der Hockey Ȭ Mannschaft und andere Internatsschülerinnen standen herum und feuerten ihn an, und es gab ein großes Jubelgeschrei, wenn er gegen Leen gewann, und er gewann fast immer, denn damals war er ein guter Läufer. Später wanderte er mit Leen südlich, nach Surrey hinein, stundenlang durch Wiesen und zwischen Hecken, und irgendwo genossen sie das, was Leen rücksichtslos genoß und rücksichtslos beim Namen nannte: die Freuden der Ehe. Damals war er fünfundzwanzig Jahre alt, und Leen war gerade zwanzig, und sie war die beliebteste Lehrerin an der Schule.
An den Werktagen schlief er meistens bis halb elf, weil die Leute, mit denen er
zu tun hatte, nie vor halb zwölf zu sprechen waren, und weil die unruhigen Nächte ihn ermüdeten. Er suchte lustlos wortkarge Politiker vierten Ranges auf, denen er beim Frühstück spärliche Informationen entriß. Das meiste, was er erfuhr, erfuhr er nicht einmal von diesen Politikern, sondern aus vierter, fünfter Hand von Journalisten, die so schlecht waren wie er, und später ging er dazu über, vages, erfundenes Zeug zusammenzuschreiben, wissend, daß es nicht lange
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